Rueckkehr nach Connemara
Lorcan übel, dass er sie an die schlimmste Zeit ihres Lebens erinnerte. Sie stöhnte auf, es durfte nicht alles wieder von neuem anfangen. Ballykisteen verdiente keinen zweiten torkelnden, inkompetenten Besitzer. Lorcan musste damit rechnen, dass sie ihm Widerstand entgegensetzen, auf ihren Rechten bestehen und sich der Unterstützung der Dorfbewohner versichern würde.
Kein Alkoholiker würde ihrem Kind das Erbe wegnehmen.
Nachdem Lorcan sich so unmöglich benommen hatte, konnte sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren, weiterhin so zu tun, als wäre sie mit Harry verheiratet gewesen.
Der Gedanke, sich mit Lorcan auseinander setzen und seinen Zorn ertragen zu müssen, beunruhigte sie natürlich. Sie biss sich auf die Lippe. Die schwierige Zeit, die vor ihr lag, würde sie überstehen.
Als sie wenig später aus dem Badezimmer herauskam, schlief Lorcan wie ein Baby und wirkte entspannt und friedlich. Mit seinem Lächeln sieht er aus wie ein Engel, schoss es ihr durch den Kopf. Irgendwie war sie zutiefst berührt. Doch sie ließ sich nicht täuschen, sie wusste, wie er wirklich war.
Dennoch holte sie zwei Decken und ein Kopfkissen aus dem Schrank, zog ihm die Schuhe aus und deckte ihn zu. Aus reiner Gewohnheit wollte sie auch seinen Gürtel öffnen, wie sie es so oft bei Harry gemacht hatte, wenn er betrunken nach Hause gekommen war, und nur bei solchen Gelegenheiten hatte sie ihn überhaupt angefasst. Aber sie konnte sich gerade noch zurückhalten und war selbst überrascht über die sinnlichen Gefühle, die Lorcan in ihr wachrief.
Sie durfte nicht vergessen, er war nicht Harry, der schwach, langweilig und an Sex nicht interessiert gewesen war. Sogar im Schlaf war Lorcans erotische Ausstrahlung zu spüren. Er war in jeder Hinsicht gefährlich.
Nachdem sie ihm behutsam das Kopfkissen untergeschoben hatte, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und berührte ihn. Es war ein seltsam prickelndes Gefühl, ihn so hilflos vor sich zu sehen. Sie bekam Herzklopfen, während sie ihm übers Haar fuhr, das sich seidenweich anfühlte. Dann streichelte sie seine Stirn und betrachtete seine braunen Wimpern, ehe sie die Finger über seine Wangen gleiten ließ.
Plötzlich breitete sich so heftiges Verlangen in ihr aus, dass es beinah körperlich schmerzte. Sehnsüchtig blickte sie auf seine Lippen. Ich habe zu lange ohne Liebe gelebt, dachte sie und verzog das Gesicht.
Kathleen war schon immer von Lorcan fasziniert gewesen.
Daran änderte auch sein Ruf, gefährlich und unberechenbar zu sein, nichts. Im Gegenteil, das machte ihn noch interessanter.
Er lächelte im Schlaf, wie sie erfreut feststellte. Doch unvermittelt trat sie einige Schritte zurück. Dass sie sich so leicht von seinem Anblick verzaubern ließ, erschütterte sie. Er war nicht ihr potenzieller Liebhaber, sondern ihr Gegner.
Meinetwegen kann er sich weiterhin betrinken, ich habe wichtigere Dinge zu tun, sagte sie sich.
Doch Lorcans Bild verfolgte sie. Er hatte so friedlich geschlafen und weder verbittert noch aggressiv gewirkt.
Während sie sich unten im ehemaligen Haushälterinnenzimmer anzog und dann in der Küche die Torte verzierte, sah sie ihn immer wieder vor sich.
Waren sein abweisendes Verhalten und seine Aggressivität etwa nur ein Schutzmechanismus? Hatte sie soeben den wahren Lorcan entdeckt, der sehr sanft war und vor lauter Angst, sich lächerlich zu machen oder enttäuscht zu werden, nicht wagte zu lieben? Skeptisch rümpfte sie die Nase. Lorcan wäre sicher ein rücksichtsloser Gegner. Er hielt sich an keine Regeln und hatte kein Gewissen.
Wahrscheinlich würde er das Haus für sich beanspruchen.
Und da er Kathleen zutiefst verachtete, würde er sie vor die Tür setzen. Aber sie wollte kämpfen und hatte auch gar keine andere Wahl.
Acht Jahre lang hatte sie die Gedanken an den schlimmen Streit verdrängt, der ihr das Herz gebrochen hatte. Wenn sie jedoch nie mehr vergaß, wie gemein und boshaft er gewesen war, wusste sie, womit sie rechnen musste.
Ihre und Conors Zukunft hing an einem seidenen Faden.
Wenn sie Schwäche zeigte und die Nerven verlieren würde, hätte Lorcan leichtes Spiel mit ihr.
3. KAPITEL
Kathleen war damals siebzehn und Lorcan zwanzig gewesen.
Er studierte Jura an der Universität in Dublin. Obwohl sie die Tochter der Haushälterin war, hatte sie sich im Haus frei bewegen können.
Manchmal, wenn ihre Mutter wieder einen ihrer
Migräneanfälle hatte, nahm Kathleen ihren Schlafsack und übernachtete oben in
Weitere Kostenlose Bücher