Rueckkehr nach Glenmara
tanzte auch »Downfall of Paris«, einen der alten Jigs, von dem Aileen offenbar glaubte, Kate kenne ihn nicht. Doch Kates Lehrerin, eine Irin, hatte einfach alle Tänze gekannt.
»Unentschieden!«, rief Richie.
Sie tanzten und tanzten und tanzten, »The Planxy Dury«, »The Blackthorn Stick«, »Yougal Harbour«, bis Kate ihre Beine nicht mehr spürte. Sie bewegten sich, als gehörten sie nicht zu ihr.
Weder Kate noch Aileen wollte aufhören, und sie trieben einander zu immer neuen Höchstleistungen an. Niemand konnte sagen, wie lange das Duell dauerte. Was für ein Anblick, diese fliegenden Beine und stampfenden Füße! Die Theke würde die Spuren des Wettkampfs noch Jahre später tragen. Der Jubel schwoll in Wellen an und ebbte wieder ab.
Kate erinnerte sich, wie ihre Mutter bei ihrem ersten feis -Sieg applaudiert und den Pokal auf den Kaminsims gestellt hatte, wo jeder ihn sehen konnte. Dieser Pokal hatte auch beim Abschiedsfest für ihre Mutter geglänzt, wo Lu weiße Flügel mit Federn trug, wie ein Engel. Ich möchte mit euch feiern, solange ich noch am Leben bin, nicht erst nach meinem Tod , waren ihre Worte gewesen. Sie hatten bis tief in die Nacht getanzt – die Leute aus dem Theater, der Schule, dem Coop, dem Lesekreis -, sie in den Himmel hineingetanzt. Ihre Mutter, die zu schwach gewesen war, sich ihnen anzuschließen, hatte in dem roten Samtsessel am Kamin mit leuchtenden Augen in die Hände geklatscht.
Der Glanz des Pokals war nicht verblasst – offenbar hatte ihre Mutter ihn vor ihrem letzten Krankenhausaufenthalt noch einmal poliert. Und jetzt hatte Kate fast das Gefühl, Lu feuere sie in diesem abgelegenen irischen Dorf mit den anderen an.
Aileen spürte, wie ihr der Sieg entglitt. Eigentlich hatte sie ausbüxen wollen, weil ihr Körper, der Großtuerei zum Trotz, nicht mehr der Alte war. Doch als klar wurde, dass das Mädchen tatsächlich mitmachen wollte, hatte es kein Zurück mehr gegeben. Der Preis war immer an einen Gälisch Sprechenden gegangen, in den vergangenen Jahren an sie. Diesmal würde es nicht anders sein.
»Weiter so!«, feuerte Richie sie an. Sie war in der Schule mit ihm gegangen, vor der Sache mit Rourke, der sie heute nicht begleitet hatte, weil er arbeiten musste. Rourke war fleißig, tat seine Pflicht und ernährte die Familie. Richie hingegen hatte nie geheiratet und sie im vergangenen Jahr einmal gefragt, ob sie sich treffen könnten, und fast wäre sie zu ihm gegangen. Gott sei Dank war sie standhaft geblieben, denn sie hatte sich ein Leben mit Rourke aufgebaut und liebte ihn. Nur der Gedanke daran, dass die Kinder endgültig aus dem Haus und sie zum ersten Mal allein wären, machte ihr Angst.
Sie bekam Seitenstechen, und die Knie taten ihr weh. Doch auf ihren Willen konnte sie sich verlassen. Stunde um Stunde hatte sie geübt, um die Beste zu werden, die sie jetzt war – seit Jahren. Sie spürte die Musik im Blut, die Anfeuerungsrufe, das Stampfen, das Klatschen. Mein Gott, was für eine Energie sich in diesem Raum konzentrierte!
Da knickte ihr Knöchel um, und sie stürzte in die Menge. Das durfte nicht wahr sein!
Doch leider war es wahr.
Sie schrie auf, weniger aus Schmerz als aus Wut darüber, verloren zu haben – ausgerechnet gegen sie . Die Zuschauer hievten sie zur Tür weiter wie einen Sack Mehl, den Blick
auf Kate gerichtet, der sie zujubelten. Sogar Bernie kreischte vor Begeisterung und erkundigte sich nur hastig, wie es ihrer Freundin Aileen gehe, bevor sie mit den anderen zur Theke drängte. Aileen hielt sich die Ohren zu, die ihr von dem Lärm klangen. Der ganze Körper tat ihr weh. Immer wieder wurde sie von der Jugend in die Schranken gewiesen; zu Hause von Rosheen, hier von Kate.
Wo steckte Rosheen überhaupt? Sie war doch immer da gewesen und hatte sogar selbst getanzt. Sie besaß Talent und hätte das Mädchen besiegen können, wenn …
Ganz hatte Aileen die Hoffnung nicht aufgegeben, dass ihre Tochter auftauchen und den ersten Schritt zur Versöhnung tun würde. Aileen war ganz allein im Pub, ohne Unterstützung der Familie, die sie nicht gebeten hatte zu kommen. Erst jetzt merkte sie, wie wichtig ihr der Wettbewerb war.
»Zeig mir den Knöchel mal.« Bernie hatte einen kleinen Eimer mit Eis von der Bar geholt.
Aileen legte das Bein auf einen Stuhl. »Er tut weh.«
»Sieht aber nicht schlimm aus. Du wirst wieder tanzen können.«
»Nicht, wenn sie mitmacht. Das war unfair.« Aileen sah angriffslustig zu der von Bewunderern umringten
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