Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
Vom Netzwerk:
in die Tiefe zurückzukehren.
Colleen hatte die enge Verbindung in jungen Jahren deutlich gespürt. Als Mädchen war sie in der Lage gewesen, zu jeder Jahreszeit kilometerweit zu schwimmen.
    Du wirst dich verkühlen , hatten die alten Frauen, die ihre Fähigkeiten nicht kannten, sie gewarnt.
    Sie hatte es lange nicht mehr versucht, aber jetzt musste sie es. Für ihn.
    Sie sang für den Wind und die Wellen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wer sie hörte, in der festen Überzeugung, dass sie das Land und die See dazu bringen konnte, die Sehnsucht der menschlichen Seele zu begreifen.
    Sie schloss die Augen, befand sich an einem Ort ohne Uhren und messbare Zeit.
    Sie hatte seit ihrer Kindheit nicht mehr für das Meer gesungen, als sie den Sog spürte, eins wurde mit der fremden Macht der Gezeiten, und niemandem davon erzählte, aus Angst, man könnte sie für verrückt halten. Diese Gabe hatte sie ganz allein entdeckt. Und irgendwann verloren.
    Sie musste wieder daran glauben.
    War es bereits zu spät?
    Was, wenn die See sich weigerte zuzuhören?
    Ihr Herz, ihr Blut pulsierten im Rhythmus der ans Ufer schlagenden Wellen, ihre Brust hob und senkte sich mit dem Wind. Sie breitete die Arme aus, glitt übers Wasser, zu seinem Boot.
    Folge mir nach Hause. Folge mir.
    Finn.
    Das Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war.
    Nein.

    Die See spuckte und grollte; sie war es nicht gewöhnt, Wünsche zu gewähren. Da meldeten sich die Zweifel wieder. Colleen glaubte, die Stimme ihrer Mutter zu hören, nachdem ihr Vater an einem kalten, wind- und wolkenlosen Oktobertag ertrunken war. Das Meer holte sich die Menschen bei gutem wie bei schlechtem Wetter: Die See lässt nicht mit sich handeln. Sie fordert ihren Tribut. Er ist dahin, Kind, verloren.
     
    Da hörte sie den Klang des Horns vom anderen Ende der Bucht. Anfangs war das Boot nicht mehr als ein kleiner Fleck, der den Felsen mit den gefährlichen Strömungen umrundete. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus beim Anblick des auf den Wellen tanzenden Boots, doch Finn lenkte es wie immer sicher vorbei an den Bojen zum Ufer. Der Mond zeichnete ein Muster aufs Wasser, einen Weg zurück zu ihr. Sie rannte mit klackenden Schritten und wehendem Schal die Stufen hinunter, sprang aufs Boot und warf sich in seine Arme wie damals als junge Frau.
    »Was ist denn los?«, fragte er.
    Ohne ein Wort führte sie ihn zu der schmalen Pritsche hinunter, wo er die Nächte auf See verbrachte, und legte sich zu ihm, seine Seehexe, während die silbern und grün schimmernden Fische in den Netzen unter ihnen zappelten.
    »Ich dachte, ich hätte dich verloren«, murmelte sie und küsste seine wettergegerbte Wange. Er schmeckte nach Salz.
    Sie schloss dankbar die Augen. Er ahnte nicht, wie gering sein eigener Einfluss und wie nah dran er diesmal gewesen
war, vom Meer verschluckt und für immer von ihr getrennt zu werden.
    »Neu?«, fragte er und berührte die grüne und blaue Spitze. »Jetzt bist du eine echte Nixe.«
    Sie vergrub das Gesicht an seinem Hals.
    »Ich hab dir also gefehlt?« Er lachte. »Ich, dein verrückter Alter.«
    Alles, was sie gewesen waren und je gemeinsam sein würden, lag in diesem schaukelnden Boot.
    »Mehr als du ahnst«, murmelte sie und strich ihm mit den Fingern durchs Haar.

BILD ACHTZEHN
    Willkommen daheim, verloren geglaubter Seemann!
    B allons schaukelten am Torpfosten vor der Auffahrt im Wind, und auf dem Weg standen in regelmäßigen Abständen Schilder, die den Weg zum Cottage der McGreevys wiesen. Die Dorfbewohner kamen zu Fuß oder mit dem Fahrrad, einige sogar mit dem Wagen, um Finns Rückkehr zu feiern. Colleen hatte die Spitzenklöpplerinnen tags zuvor angerufen und sie gebeten, es allen zu erzählen. Es handelte sich um eine spontane Feier, zu der jeder etwas mitbrachte, am liebsten gute Laune und gutes Wetter. Es war einer der wenigen Tage, an denen der Himmel von morgens bis abends blau blieb.
    Natürlich scheint jetzt die Sonne, wo ich nicht draußen auf dem Meer bin , scherzte Finn am späten Vormittag, küsste Colleen auf die Wange und zog sie näher zu sich heran.
    Hör auf, ich muss noch so viel vorbereiten. Sie schob ihn weg.
    Wir haben Zeit , sagte er. Alle Zeit der Welt. Und er begann, mit ihr im Zimmer herumzutanzen.
    Was ist nur in dich gefahren? Sie löste sich lachend aus seiner Umarmung. Deine überschüssige Energie könntest du dazu verwenden, Ballons aufzublasen.

    Eigentlich hatte ich was anderes im Sinn …
    Bald kommen die Gäste

Weitere Kostenlose Bücher