Rückkehr nach Kenlyn
marschierte die Treppe hoch.
»Wo willst du hin?« rief Liyen ihr nach.
»Dreimal darfst du raten!« Endriel sah über die Schulter zu ihr nach unten. »Ich wüsste nicht, was uns noch auf diesem Planeten hält.« Damit verschwand sie im Oberen Deck.
»Sie gibt wirklich nicht auf, was?«, fragte Liyen beeindruckt.
»Selten bis nie«, antwortete Nelen stolz. Miko ließ sie auf seiner Schulter landen, dann sagte er: »Also, noch mal von vorne – ihr habt was mit dem Schattenkaiser gemacht?«
19. Quarantäne
»Maschinen funktionieren so viel besser als wir. Vorrangig, weil ihnen ein Herz fehlt.«
– aus »Die Antagonie zwischen Politik und Moral« von Rendro Barl
Acht Städte unter Quarantäne, quer über die Nördliche Hemisphäre verteilt. Neuntausend registrierte Fälle von Strahlenkrankheit und die Zahl wuchs stündlich. Die Dunkelziffer war nicht einmal zu schätzen.
Nachdem er über den anfänglichen Schock halbwegs hinweg gewesen war, hatte Telios dafür gesorgt, dass eine Kraftfeldkuppel über die Überreste von Xanata gelegt wurde, wie eine umgestülpte Schüssel aus purpurnem Glas. Dort würde sie noch hunderte, vielleicht sogar tausend Jahre stehen – so lange bis der Dunkle Äther vergangen war.
In der Zwischenzeit hatte der Wind die Strahlung längst in den umliegenden Regionen verteilt, die Portale hatten das ihrige zur Ausbreitung des Äthers beigetragen.
Drei andere Ordensschiffe waren dem Notruf gefolgt; Telios hatte ihren Kapitänen befohlen, sofort in die Städte aufzubrechen, die per Nexus mit Xanata verbunden gewesen waren. Sämtliche Portale mussten abgeschaltet werden, niemand durfte hinein oder hinaus. Aber der Schaden war bereits angerichtet: Viele hatten die betroffenen Städte längst verlassen und waren zu Fuß mit ihren Familien, den Haustieren und wenigem Hab und Gut vor dem tödlichen Wind geflohen. Wie viele von ihnen verseucht waren, war unmöglich zu sagen. Wahrscheinlich alle.
Sämtliche Krankenhäuser in der Nähe der betroffenen Siedlungen waren schon nach wenigen Stunden hoffnungslos überfüllt; Schulen, Universitäten, Stadthallen und Tempel der verschiedensten Religionen wurden als behelfsmäßige Hospitäler eingerichtet; trotzdem fehlte es immer noch an Betten und vor allem an Ärzten. Die Hand der Freundschaft, die Wandernden Heiler und die Priesterschaft von Xal-Nama hatten alle ihre Hilfe angeboten – letztere verschiffte pausenlos Patienten in ihr fliegendes Kloster, welches in aller Eile in die Krisenregion geflogen war, in schützender Höhe über der verstrahlten Erde. Doch trotz seiner Größe war auch das Himmelssanktum bald völlig überlaufen.
Fünf Stunden nach der Katastrophe befand sich der Admiral dort, um sich mit eigenen Augen ein Bild der Lage zu machen.
Er war nicht vorbereitet auf das, was er sah.
Wehklagen und Schreie erfüllten den Saal. Über zweihundert Schlafmatten waren ausgerollt worden, die nur einen schmalen Gang in der Raummitte freiließen. Auf ihnen lagen Menschen, Draxyll, Yadi und Skria, die sich entweder in Agonie hin und her warfen, von der Strahlung verbrannt, oder in totenähnlicher Starre vor sich hinvegetierten, als habe ihnen etwas die Seele aus den Körpern gesaugt. Ihre Haut war voller Geschwüre und eiternder Wunden, ihr Haar oder Fell ausgefallen, die Augen trübe, wie hinter grauen Schleiern verborgen.
Priester, Mönche, Nonnen und Adepten in weißen Roben eilten von einem Patienten zum andern, setzten Spritzen an und wechselten blutige und eiterdurchtränkte Verbände. Oft genug konnten sie nur noch für die Kranken beten.
Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte sich Telios, blind und taub zu sein.
»Danke für Ihre Hilfe, Suran«, sagte er zu dem greisen Skria des Klostervorstands, der ihn durch den Saal begleitete. Suran nickte bloß. Sein Fell hatte die Farbe von Asche; Kummer und Erschöpfung stand in seinen goldenen Augen.
Telios sah durch den Raum. Er roch Fäkalien, Blut, Erbrochenes und die scharfen Ausdünstungen von Medizin, vermengt mit dem Duft von Weihrauch. Jeder Patient war sorgfältig gewaschen und mit einer Salbe nach Sha Yang-Rezept behandelt worden; sie strahlten nicht mehr, folglich gab es keine Möglichkeit, sich anzustecken. Dennoch fühlte er sich krank; die Uniform schien bei jeder Bewegung auf seiner Haut zu scheuern, ein saurer Geschmack lag auf seiner Zunge.
»Wir tun, was in unserer Macht steht, doch es ist zu wenig«, sagte Suran schließlich ins Schweigen hinein. »Wir können
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