Rückkehr nach Kenlyn
Wir versuchen sie zu beschützen – in erster Linie vor sich selbst, wohlgemerkt – und trotzdem würden sie uns am liebsten ins Gesicht spucken. Xanata war ein Unfall – schrecklich, aber nicht zu ändern. Wir tun unser Möglichstes, aber selbst wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Nur versuchen Sie mal, das den Leuten zu erklären.« Wieder ein Kopfschütteln. »Ich frage Sie, Andar: Was soll aus dieser Welt nur werden?«
Telios’ linker Mundwinkel zuckte. »Ich fürchte, die Antwort würde uns beiden nicht gefallen«, sagte er. Und er dachte: Kaleen war einer deiner Ausbilder. Du hast Jahre lang unter ihr gedient. Von allen Admirälen kennst du sie am besten.
Pellin tupfte die Lippen mit ihrer Serviette ab. »Zugegeben, die Situation ist äußerst angespannt. Erst die Sache in Tian-Dshi, dann Xanata. Trotzdem dürfen wir nicht kapitulieren. Immerhin sind wir die einzigen, die zwischen Chaos und Ordnung stehen.«
Bravo! Telios applaudierte müde im Geiste. Schweigen breitete sich aus, als sich beide ihrem Essen widmeten.
»Aber nicht jeder gibt dem Orden die Schuld«, sagte der Admiral irgendwann so beiläufig wie möglich. Er sah Pellin an.
Sie lächelte wissend. »Ah, ich nehme an, Sie spielen auf gewisse ... Gerüchte an?«
»Erzählen Sie mir davon.« Telios lehnte sich zurück – und behielt die Frau und jede ihrer Reaktionen genau im Auge.
»Andar, Sie wissen so gut wie ich, dass es diese Geschichten immer gab und immer geben wird. Es sei denn«, Pellin hob die Augenbrauen, »Sie wissen mehr darüber als ich?«
»Ich weiß nur, dass man überall von hier bis zum Niemandsland davon hört«, log er.
»Natürlich.« Pellin grinste schief. »Wir verstärken unsere Patrouillen, und gleich heißt es, dass nur der Kult dahinter stecken kann. Wir warnen vor Waffenschmugglern und Piraten, und die Leute schreien: ›Der Schattenkaiser ist wieder auf dem Vormarsch!‹« Sie grinste säuerlich. »Manchen Leuten ist die Wahrheit scheinbar nicht spektakulär genug. Hinter allem müssen Lügen und Verschwörungen stecken, sonst ist es zu einfach.« Sie zuckte mit den Achseln. »Auch etwas, das ich nie verstanden habe. Sagen Sie nicht, dass Sie etwas auf diese Gerüchte geben, Andar?«
»Ich hoffe das Beste und versuche, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein«, antwortete er und war zu dem Entschluss gekommen, dass es besser war, diese Frau unter Beobachtung zu behalten. Sie konnte unmöglich so arglos sein, wie sie sich gab.
Pellin sah davon ab, ihn zurück zu seinem Schiff zu begleiten, wofür er sehr dankbar war, denn er wollte zumindest für einige Minuten alleine sein. Und während er den Gängen und Hallen der Residenz folgte, erinnerte er sich an sein Gefühl der Unbesiegbarkeit, als er die Uniform zum ersten Mal angelegt hatte; nun war er ein Friedenswächter, die Verkörperung von Recht und Gesetz. Und er hatte nicht als einziger so gedacht.
Seit drei Jahrhunderten hatte es niemanden gegeben, der es mit ihnen aufnehmen konnte. Natürlich, die Piraten und andere Unruhestifter waren ein ständiges Ärgernis, jedoch keines, das ihnen ernsthaft gefährlich werden konnte. Nichts, was die Ordnung des Großen Friedens bedrohte. Seit ihrer Gründung vor über viertausend Jahren, als Ritterorden eines mittlerweile mystischen Königreichs namens Kelralon, waren die Friedenswächter es gewohnt zu gewinnen; die Schatten hatten sie zweimal herausgefordert, aber sie waren besiegt worden. Doch zusammen mit seinem größten Feind hatte der Orden seine Demut verloren, war arrogant und selbstherrlich geworden.
Das konnte ihm nun zum Verhängnis werden. Denn niemand aus der heutigen Generation von Friedenswächtern hatte je im Krieg gekämpft. Vielen von ihnen, ihn selbst eingeschlossen, fiel es schwer, sich etwas wie Krieg überhaupt vorzustellen, gleichgültig wie viele Geschichtsbücher und Kubus-Aufzeichnungen sie konsultierten.
Stattdessen zogen sie es vor, den Traum von der eigenen Überlegenheit weiter zu träumen. Und nicht einmal die Gerüchte um die Wiedergeburt des Kults konnten sie aus diesen heraus reißen. Es war wie Pellin gesagt hatte: Gerüchte dieser Art hatte es immer gegeben. Der Schattenkaiser war zu einem Schreckgespenst geworden, jemand, den die Kadetten und Rekruten in ihren geheimen Heldenfantasien als Bösewicht auftreten ließen. Auch dies wusste er nur allzu gut aus erster Hand.
Und so zogen sie es vor, die Lügen der Kommission zu schlucken; glaubten, dass wenn genug Zeit
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