Rückkehr nach Kenlyn
Provinz Ang-Gara! Dies ist das Friedenswächterschiff Cheldrakis : Piraten wurden in der Nähe der Siedlung Tarong-Lar gesichtet! «
Piraten! Xeah tastete beunruhigt nach der alten Narbe an ihrem rechten Oberschenkel.
» Erhöhte Vorsicht ist geboten! Alle Hinweise zur Ergreifung –
Keru ließ den Kubus verstummen.
»Hey!«, protestierte Miko. »Ich wollte das zu Ende hören!«
»Wozu? Tarong-Lar ist eine Stunde von hier entfernt. Es –
Der Rest des Satzes ging im ohrenbetäubenden Kreischen von Antrieben unter. Zwei Weißmantelschiffe donnerten dicht über der Stadt in die Nacht hinein. Es dauerte fast eine Minute, bis Xeah es wagte, die Hände wieder von ihren Höröffnungen zu nehmen.
Nelen hing dicht am Rand der Brückenkuppel; draußen verblassten die Lichtspuren der Maschinen in der Dunkelheit wie ein Schwarm blauer Sternschnuppen. »Muss ziemlich übel sein, wenn sie Verstärkung anfordern«, murmelte sie. Dann schien sie unterhalb des Schiffs etwas zu bemerken. »Hey, ich glaube, wir kriegen Besuch! Seht mal!«
Xeah raffte sich auf und trat neben sie, begleitet von Miko. Tatsächlich: Eine dunkle Gestalt näherte sich ihrem Anlegeplatz. Sie war zu groß, zu massig, um Endriel zu sein. Nein, es war eine Skria – eine ungewöhnlich beleibte Skria. Ihr breites Gesicht erinnerte Xeah an die fette Katze, die auf den dshibash -Kisten aufgedruckt gewesen war. Gerade jetzt sah sie sich unter den versammelten Drachenschiffen um, überprüfte ein Blatt Papier in ihrer Pranke – und sah wieder zur Korona . Ihr Blick und der von Xeah trafen sich.
»Eine Geldeintreiberin?«, fragte Miko.
»Bei unserem Glück?«, knurrte Keru hinter ihnen. »Wahrscheinlich Schlimmeres.«
Du erinnerst mich sehr an sie , hatte Kai gesagt. Aber damit konnte er sich unmöglich auf Liyens Äußeres bezogen haben, denn die junge Frau war in ihrer Verlorenheit so abgrundtief schön, dass Endriel sich am liebsten in irgendeiner Höhle tief unter der Erde verkrochen hätte. Sie hatte oft versucht, sich das Phantom Liyen Tela vorzustellen. Nun wusste sie, dass sie vor ihr stand, keine zehn Schritte entfernt. Endriel beobachtete die junge Frau mit zitternden Knien: Ihre makellose Haut hatte die Farbe von Karamell; schwarze Locken lagen auf ihren Schultern. Sie trug einen Halbmantel aus Leder um den Leib und einen abgewetzten Seesack auf dem Rücken und sah sich mit Rehaugen um, als suche sie jemanden – ein verlorenes Geschöpf in diesem gläsernen Dschungel.
Endriel holte einmal tief Luft, dann näherte sie sich ihr. Doch die junge Frau sprach sie zuerst an.
»Entschuldige bitte!«, sagte sie mit einer Stimme, die trotz ihres verzweifelten Untertons so warm und lieblich war wie eine Sommernacht. »Ich suche jemanden, einen Jungen. Ich dachte, ich würde ihn hier treffen, aber ... ich kann ihn nicht finden! Vielleicht kannst du mir helfen?«
Endriel wünschte sich, Liyen würde sie nicht ansehen, mit ihren großen, tiefen, traurigen Augen.
Verflucht noch mal, gibt es denn gar nichts an dir, das nicht perfekt ist? Ein entstellendes Muttermal oder ein Damenbart, mehr verlange ich doch gar nicht!
Nun war ihr klar, dass Kai gar nichts anderes übrig geblieben war, als sich in sie zu verlieben. Sie hätte heulen können. »Ja«, sagte sie. »Ich glaube, ich kann dir helfen, Liyen.«
Die junge Frau sah sie verblüfft an.
Tja , dachte Endriel, du würdest wirklich gerne wissen, woher ich deinen Namen kenne, was? »Keine Sorge, er hat mir alles erzählt.« Irgendwie fand sie die Kraft zu lächeln. »Ich weiß Bescheid, Liyen.«
Die Verwirrung in den braunen Rehaugen wurde immer größer. »Bescheid worüber? Und ... warum nennst du mich andauernd Liyen?«
Endriel starrte sie an wie vom Blitz getroffen. »Du bist doch Liyen Tela – ich meine, du musst es sein!«
Die junge Frau lächelte stirnrunzelnd. »Ich glaube, du verwechselst mich mit jemandem.«
» Tami! «, hörten sie einen jungen Mann rufen. Die junge Frau sah über Endriels Schulter – und strahlte vor Glück. »Entschuldige mich bitte!«, sagte sie und lief an ihr vorbei, direkt in die Arme des ähnlich vollkommenen Jungen. Sie hielten und küssten sich. Als etwas in Endriels Augen brannte, sah sie weg.
Ich weiß ja, dass du mich hasst , dachte sie, dem Universum zugewandt, aber musst du mir das immer wieder unter die Nase reiben?
Steif und fröstelnd vor Kälte, beobachtete Xeah, wie die korpulente Skria die Gangway hinauf schritt – dank ihres Gewichts nicht ganz
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