Rückkehr nach Kenlyn
– ein Dutzend Socken – eine Geldbörse mit ein paar Gonn, jedoch ohne Ausweispapiere – einen abgelaufenen Flugschein von Dakom-Re – eine Wasserflasche, halbvoll – Blechgeschirr, frisch gewaschen und in Tücher eingerollt – einen Beutel mit einer Zahnbürste aus Holz und Schweineborsten, dazu ein Tiegel mit Zahncreme – zerknitterte Landkarten, auf dem neusten Stand – ein Kompass aus angelaufenem Messing – eine kleine Lichtkugel – einen mit Schafswolle gefütterten Schlafsack – drei Bücher: »Die Antagonie von Politik und Moral« von Rendro Barl, »Eine kurze Geschichte der Hohen Völker« von Lakuur dem Älteren, sowie ein Gedichtband von Venshiko – und zuletzt ein zusammengerolltes Zelt mit dem dazugehörigen Gestänge.
Xeah, Miko und Nelen beobachteten mit unverhohlener Neugierde, wie jedes einzelne Teil unter die Lupe genommen wurde, wobei Endriel sich mehr auf Kerus scharfe Sinne verließ als auf ihre eigenen. Dass er nichts fand, machte sie beide nur noch misstrauischer. Dann entdeckte er etwas in einer Außentasche des Rucksacks: Ein schmaler Dolch funkelte in seiner Pranke. Er wandte sich mit grimmiger Miene an Liyen.
»Verdammt«, sagte diese. »Ihr habt mich ertappt – dabei wollte ich doch mit dem Brotmesser das Schiff an mich reißen.« Sie wurde ernster: »Was glaubt ihr denn? Ich bin die meiste Zeit irgendwo am Arsch der Welt unterwegs. Mit irgendwas muss sich ein Mädchen schließlich verteidigen können.«
Keru stand auf. »Zieh dich aus!«
»Willst du mich nicht vorher zum Essen einladen?« Liyen schien es für einen schlechten Scherz zu halten, bis ihr klar wurde, wie sehr sie sich irrte. » Moment mal, geht das nicht ein bisschen zu weit?«
»Nein, tut es nicht«, erwiderte Keru ruhig und baute sich bedrohlich vor Liyen auf.
Endriel spannte kampfbereit sämtliche Muskeln an.
Liyen dagegen blieb überraschend ruhig. »Für jemanden, der den ganzen Tag nur in einem Kilt herumläuft, ist das vielleicht schwer zu verstehen, aber ich habe keine Lust, mich vor wildfremden Leuten frei zu machen!«
Endriel bewunderte widerwillig ihren Mut: Die wenigsten wagten es, sich über Kerus Aufzug lustig zu machen.
»Entweder du ziehst dich aus, oder du gehst«, stellte er klar.
»Was für ein Schiff ist das hier eigentlich?«, fragte Liyen.
Xeahs Horn trötete. Jeder sah zu der alten Draxyll. Sanft erklärte sie Liyen: »Ich verstehe dich vollkommen, mein Kind. Aber die anderen werden nicht zusehen.« – Endriel erkannte Mikos enttäuschten Blick – »Nur ich.« Xeahs Mundwinkel zogen sich nach oben. »Und vor mir brauchst du keine Angst zu haben, ich bin Ärztin. Ich glaube nicht, dass du etwas hast, das ich nicht schon gesehen habe.«
Liyen betrachtete den Anhänger um Xeahs Hals. »Sie sind eine Schülerin Xal-Namas?«
Die Draxyll zögerte, dann neigte sie ergeben das Haupt. »Seit hundertvierundzwanzig Jahren.«
Liyen zögerte, ihr Blick wanderte von Miko mit Nelen auf seiner Schulter über Keru zu Endriel. »Ich hoffe, es gibt einen guten Grund für all das.« Dann stand sie auf und wandte sich ernst an die wesentlich kleinere Xeah. »Also gut. Aber danach hätte ich wirklich gern eine Erklärung!«
Endriel lehnte mit verschränkten Armen an der Wand des Korridors im Oberdeck. Durch die dünne Schiebetür zum Badezimmer konnte sie hören, wie Liyen leise mit Xeah sprach.
»Und wenn sie wirklich einen Peilsender oder so was dabei hat?« Nelen flatterte aufgeregt hin und her. »Der Kult hat uns doch schon mal einen untergejubelt und wir haben’s erst gemerkt, als es zu spät war!«
»Wenn wir etwas finden«, brummte Keru, »schmeißen wir sie von Bord. Mit gebrochenem Genick.«
Nelen sah ihn an, ohne zu antworten und suchte Schutz auf der Schulter ihrer Freundin. Warum hat sie Angst vor ihm?, wunderte sich Endriel. Dann dachte sie an die toten Piraten auf dem Landeplatz und ahnte den Grund.
Auch Miko hielt sich von dem Skria fern, soweit er konnte. »Und wenn wir gar nichts finden?«, fragte er vorsichtig.
»Hrrrrhmmm. Dann sollten wir alle mit offenen Augen schlafen.«
Die Tür zum Bad öffnete sich einen Spalt breit und Xeah reichte ihnen Liyens Kleider und Schuhe. Keru durchsuchte sämtliche Taschen, tastete die Nähte ab, schnupperte am Stoff. Sie waren sich sicher, dass ein Sender mit einer einigermaßen großen Reichweite (und schließlich ergab nur ein solcher Sinn) ein auffälliges Gerät sein müsste, mindestens von den Ausmaßen eines
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