Rückkehr nach Killybegs
wissen, dass ich auch nicht erst gestern aus meinem Dorf gekommen war. Der Große deutete mit dem Kopf auf den Kleinen.
»Joe war bei Tom, als er verhaftet wurde.«
»Joe Cahill«, murmelte der andere und reichte mir die Hand.
Hinter mir las der Pfarrer aus Paulus’ Brief an die Römer.
»Sie verfielen in ihrem Denken der Nichtigkeit, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert …«
Die Wand aus Männern zog sich um uns zusammen. Ich hob die Hand.
»Ich schwöre Treue der irischen Republik und ihrer Armee, der IRA«, soufflierte mir der erste Gefangene.
»Ich schwöre Treue der Phoblacht na hÉireann und Ólaigh na h’Éireann .«
»Ich schwöre Treue der Proklamation von 1916 und gelobe zu kämpfen für die Errichtung einer sozialistischen Republik …«
Der Kaplan betete leise. Und begann uns zu beschimpfen. Father Alan war nicht Father Alexis, der Toms Martyrium begleitet hatte. Er hasste uns.
»Sie sind in ihrem Dichten eitel geworden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert. Da sie sich für Weise hielten, sind sie zu Narren geworden.«
Er hielt seine Predigt mit bebender Stimme, ich gab meinen Schwur flüsternd. Ich wusste, dass er zu mir sprach. Er kannte seine Gefangenen. Unsere Tricks und Finten. Die Zettel, die sonntags von Hand zu Hand gingen, die Gegenstände, die Zeichen. Er wusste, was die Abwesenheit des einen oder die Anwesenheit des anderen bedeutete. Er hatte die Dynamik um mich herum bemerkt. Ihm war klar, dass in der Mitte dieser geschlossenen Gruppe ein junger Mann Gehorsam gelobte. Dass ein Sünder dabei war, geräuschlos den Friedenspakt zu brechen. Dass eine Seele ihm für immer entwischte.
Zur Kommunion stand ich wieder vorn, an meinem Platz.
»Wessen Hände nicht mit Blut befleckt sind, der möge vortreten«, sagte der Pfarrer, wie jeden Sonntag.
Und ich war der Einzige, der wie jeden Sonntag vor ihm kniete.
An diesem Tag betrachtete er mich lange. Mit verändertem Gesicht. Das Lächeln war verschwunden. Ich hatte die Hände gefaltet. Er legte mir die Hostie auf die Zunge.
»Der Corpus Christi.«
Ich hielt seinem Blick stand.
»Amen.«
Ich war unglücklich.
Als ich aufstand, beugte er sich zu meinem Ohr.
»Weißt du, dass du gerade versprochen hast zu töten?«
Ich hatte die Hände noch gefaltet, den trockenen Geschmack des ungesäuerten Brotes im Mund. Ich konnte nicht Ja sagen. Es gibt kein Wort für das Töten. Also habe ich nur diesen Blick verlängert. Ich trotzte ihm nicht. Ich ließ die Tür meines Herzens weit offen.
»Wenn du Barabbas folgst, verwirfst du Jesus«, murmelte der Priester.
Er blickte auf die schweigende Versammlung. Die Gefangenen waren ernst. Als sei ihnen jedes Wort unseres Gesprächs schon bekannt.
»Nächsten Sonntag komm nicht nach vorn zur Kommunion. Bleib bei deinen Komplizen.«
Dann wandte er mir den Rücken.
Als ich wieder zurückging, klopfte mir ein Typ auf die Schulter.
»Lieber ein ordentlicher Streit mit Gott als einsam sein.«
Dann lachte er, während der Pfarrer missmutig seine Stola ablegte.
Achtundzwanzig Monate verbrachte ich in Crumlin. In der Kapelle war ich nie wieder. Ich habe mir mein eigenes Kruzifix gebastelt, aus Brot, Gips, den ich von der Wand gekratzt hatte, und Spucke. Das war genauso gut wie das große silberne Kreuz, das Father Alan für die Messe auf den Altar stellte.Als ich am 26. April 1945 freikam, hatten die Briten ihren Krieg fast gewonnen. Und wir waren erschöpft.
Gemeinsam mit Séanna übernahm ich das Schornsteinfegerunternehmen von Onkel Lawrence. Wir fanden ein wenig Arbeit im Ghetto, aber die Innenstadt und die protestantischen Viertel blieben uns verschlossen. Oft gab es auch nur einen Tauschhandel: Kaminfegen gegen Essen. Róisín arbeitete in der Post des Viertels. Mary half bei den Costellos aus. Die Kleinen versuchten die Schule zu mögen. Und Mama verlor den Halt. Verbrachte ihre Tage zwischen Küche und Kirche. Betete laut beim Putzen. Verursachte manchmal Menschenaufläufe vor unserem Haus. Oder verfluchte an der Ecke zur Dholpur Lane Passanten und schwenkte dabei ihren Rosenkranz. Dann nahm ich sie am Arm und führte sie wieder nach Hause.
»Wir sind isoliert«, sagte Séanna zu mir, als wir eines Abends auf der Türschwelle saßen.
Er fühlte, was mein Vater durchlebt haben musste, als er seinen Krieg verloren hatte. Als sein Land in zwei Teile zerrissen wurde und Asche seine Hoffnungen begrub. Wir waren die Kinder dieser Katastrophe. Nicht besiegt, aber hilflos. Die
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