Rueckkehr nach River's End
auseinandersetzen musste , die sie bisher zu verdrängen versucht hatte.
Die unautorisierten Biographien, die Dokumentationen, den Fernsehfilm, den Wahnsinn, den die Sensationspresse verbreitet hatte, und die Gerüchte über das Leben ihrer Schwester und ihren Tod hatte sie verkraftet. Von Zeit zu Zeit wurde die Geschichte wieder aufgewärmt. Die junge, wunderschöne Schauspielerin, ermordet in der Blüte ihres Lebens, von dem Mann, den sie liebte. In einer Stadt, die sich von Fantasie und Klatsch ernährte, nahmen grausame Märchen häufig den Glanz von Legenden an.
Sie hatte ihr Bestes getan, um diese Geschichten zu verhindern. Sie gab keine Interviews, schloss keine Verträge ab, genehmigte keinerlei Projekte. So hatte sie ihre Eltern und das Kind schützen können. Und sich selbst.
Und dennoch kursierten Jahr für Jahr neue Geschichten über Julie MacBride. Alle Jahre wieder zum Jahrestag ihres Todes, dachte Jamie, als sie sich an das Waschbecken lehnte und in ihr eigenes Gesicht im Spiegel starrte.
Deshalb floh sie jeden Sommer aus L. A., lief für ein paar Tage davon, versteckte sich, so wie sie Olivia versteckt hatte.
Hatte sie denn kein Recht auf Privatsphäre? Sie seufzte und rieb ihre Augen. Genau wie Olivia ein Recht darauf hatte, über ihre verstorbene Mutter zu sprechen. Irgendwie musste sie dafür sorgen, daß beides ermöglicht wurde.
Sie richtete sich auf und strich ihr Haar zurück. Von ihrem Friseur hatte sie sich zu einer Dauerwelle und Strähnchen überreden lassen, die ihr Gesicht sanft umrahmten. Inzwischen musste sie zugeben, daß er recht gehabt hatte. Sie wirkte sanfter, jünger. Jugend war für sie nicht nur eine Sache der Eitelkeit, sie gehörte auch zum Geschäft.
Langsam zeichneten sich die ersten Fältchen um ihre Augen ab, diese unbarmherzigen kleinen Hinweise auf Alter und Verfall. Früher oder später würde sie über ein Lifting nachdenken müssen. David hatte bei dieser Überlegung laut gelacht.
»Fältchen? Was für Fältchen? Ich sehe keine Fältchen.«
Männer, dachte sie nun, aber sie erinnerte sich daran, wie sehr sie sich über seine Reaktion gefreut hatte.
Was auf gar keinen Fall bedeutete, daß sie es sich leisten konnte, ihre Haut zu vernachlässigen. Sie ließ sich Zeit, um die Nachtcreme sorgfältig einzumassieren, mit festen Strichen von unten nach oben, dann verteilte sie die Augencreme mit den kleinen Fingern. Zuletzt sprühte sie einen Hauch von Parfüm zwischen ihre Brüste, falls ihr Mann romantische Anwandlungen verspüren sollte.
Was er eigentlich häufig tat.
Sie lächelte in sich hinein und ging ins Schlafzimmer zurück, wo sie das Licht für David angelassen hatte. Er war noch nicht nach oben gekommen, also schloss sie leise die Tür und trat vor den großen Kippspiegel. Dann streifte sie ihr Neglige ab und unterzog ihren Körper einer kritischen Bestandsaufnahme.
An drei Tagen pro Woche trainierte sie wie besessen mit einer Privattrainerin, die sie heimlich die Marquessa de Sade nannte. Aber es machte sich bezahlt. Vielleicht konnte man ihre Brüste nicht mehr als vorwitzig bezeichnen, dafür war ihr übriger Körper straff und fest. Solange sie schwitzen und Gewichte stemmen konnte, bestand keinerlei Notwendigkeit für straffende Abnäher, höchstens um die Augenpartie.
Sie wusste , wie wichtig es für sie war, attraktiv zu bleiben - sowohl für ihre PR-Arbeit als auch für ihre Ehe. Die Schauspieler und Entertainer, mit denen David und sie arbeiteten, schienen von Tag zu Tag jünger zu werden. Einige seiner Klienten waren schöne, begehrenswerte und sehr junge
Frauen. Der Versuchung nachzugeben, das wusste Jamie, war bei anderen, die so lebten wie David und sie, eher die Regel als die Ausnahme.
Und sie war sich durchaus bewusst , welches Glück sie hatte. Fast vierzehn Jahre, überlegte sie. Die Dauer ihrer Ehe war für Hollywood ein mittelgroßes Wunder. Sie hatten ihre Höhen und Tiefen erlebt, aber sie hatten sie gemeinsam gemeistert.
Jamie hatte sich immer auf ihren Ehemann verlassen können, und er sich auf sie. Ein weiteres, mehr als mittelgroßes Wunder war die Tatsache, daß sie einander immer noch liebten.
Sie schlüpfte wieder in ihr Neglige, band den Gürtel zu und öffnete die Verandatüren. Dann trat sie ins Freie, hörte dem Wind in den Bäumen zu und suchte nach Julies Stern.
»Wie oft haben wir in Nächten wie dieser draußen gesessen und geträumt? Wir haben zusammen geflüstert, obwohl wir schon längst hätten schlafen
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