Rückkehr nach St. Elwine
alles so deutlich vor sich, als wäre es erst gestern gewesen. Dabei hatte er die Erinnerung an all das, so sorgsam in den hintersten Winkel seines Hirns verbannt, dass er selbst bereits geglaubt hatte, das Geschehen schlichtweg vergessen zu haben. Vergessen hinter einer Fassade der Selbstbeherrschung. Vergessen, hinter einem dicken Panzer, den er persönlich unter enormer Kraftanstrengung errichtet hatte, um weiterleben zu können. Wieder ein normales Leben führen zu können, von dem er bis dahin nicht gewusst hatte, wie wertvoll ein solches für ihn war. Doch nun erkannte er schockiert, dass er sich geirrt hatte.
Es war das letzte Jahr an der Uni. Er nahm nicht mal wahr, wie er seine Erinnerungen in Worte fasste, um endlich über all das was geschehen war, reden zu können mit dem Ziel, dass Elizabeth ihn nun verstehen könnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich stets vor dem Schmerz gefürchtet, der augenblicklich über ihn herfallen würde, verschwendete er nur einen noch so kleinen Gedanken an die vergangenen Jahre. Mit einem Mal registrierte er, dass sich eine große Erleichterung in seinem Inneren auszubreiten begann und gleichzeitig mit der Erleichterung keimte eine klitzekleine Hoffnung in ihm auf. Gab es vielleicht doch eine Hoffnung, den Schmerz besiegen zu können?
Liz ließ sich jetzt wieder auf die Polster des breiten Bettes nieder, zog ihre Knie an und hörte ihm aufmerksam zu. Sie konnte nur erahnen, wie viel ihm das bedeutete.
An jenem Abend regnete es in Strömen. Marc und Josh teilten sich ein Apartment in der Nähe der Universität. So brauchten sie nicht auf dem Campus zu wohnen und sich nicht an die strengen Regeln der Hausordnung dort zu halten. Kurz vor den Semesterferien wollten sie zusammen mit anderen Studenten eine Party in der von ihnen bevorzugten Diskothek feiern. Die Diskothek war ein beliebter Treffpunkt in der Stadt. Wie stets, ließen sie sich einen Tisch reservieren. Während Josh Platz nahm, um auf die anderen zu warten, ging Marc zur Bar, um für sie beide etwas zu trinken zu holen. Der Tanzsaal füllte sich rasch, es hatte bereits eine ausgelassene Stimmung geherrscht, als sie beide dort eingetroffen waren.
John Campell, ebenfalls ein Student an ihrer Uni, schlenderte mit zwei Blondinen im Arm heran. Gloria beobachtete mit zusammengekniffenen Augen die Szene um sie herum.
„ John, Darling, wer ist denn der aufregend gut aussehende junge Mann da drüben?", säuselte sie.
„ Welchen meinst du, Schätzchen?"
„ Den großen Dunklen, der an dem Tisch neben der Säule sitzt.“ Sie deutete auf Josh.
Ihr war klar, dass nur ganz wenige Studenten in der Lage waren, sich so teuer zu kleiden. Dafür hatte sie einen Blick. Eine genauere Musterung seiner Person könnte sich da vielleicht lohnen.
„ Du hast ein gutes Gespür, Schätzchen. Das ist Joshua Tanner aus Maryland. Sein Dad ist unerhört reich."
„ Tatsächlich, was du nicht sagst", gurrte sie um noch einmal gelangweilt in die Runde zu schauen.
Im Laufe des Abends pirschte sie sich jedoch zielsicher an Josh heran.
„ Hallo", säuselte sie.
„ Ich überlege die ganze Zeit, wo wir uns schon mal begegnet sind."
Josh, dem klar war, was sie von ihm wollte, lächelte gelassen. „Das wüsste ich aber. Ich würde mich garantiert an Sie erinnern."
„ Ah, ja? Ich nehme das als Kompliment."
„ So war es auch gemeint, Lady."
Sie ließ ein schrilles Lachen erklingen. „Ich kann nicht zufällig eine Zigarette bei dir schnorren, oder?"
„ Ich rauche nicht. Aber warten Sie! Ich besorge Ihnen eine."
„ Nein, nein, nicht nötig. Eigentlich wollte ich sowieso gerade gehen."
„ Es regnet in Strömen. Sie sollten sich ein Taxi rufen!", riet er ihr.
„ Ich wohne nur ein paar hundert Meter von hier", erklärte sie daraufhin mit dunkler, rauchiger Stimme.
„ Dann bring ich Sie hin", erklärte sich Josh rasch bereit. „Die Gegend hier ist nicht die Beste."
„ Das ist nett, aber wirklich nicht nötig." Sie zwinkerte ihm aufmunternd zu.
„ Oh, ich denke schon."
„ Du solltest dir meinetwegen keine Umstände machen“, gurrte sie und schaute ihm dabei unverwandt in die dunklen Augen. Jetzt erst bemerkte sie seine Wimpern und ihr Mund verzog sich zu einem amüsierten Grinsen.
„ Das tue ich nicht, keineswegs. Mach dir darüber keine Gedanken!“, antwortete er ruhig. Inzwischen hielt er es nicht mehr für notwendig, sich an das förmliche Sie zu halten.
Sie hatten es wirklich nicht weit. Aber bei dem
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