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Rückkehr nach Wedenbruck

Rückkehr nach Wedenbruck

Titel: Rückkehr nach Wedenbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
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auch nicht tun. Da euer Pferd sich mit euch in einer Art ,Gedankensprache’ verständigt, übernimmt es sonst eure Angst und fühlt sich bedroht. Das heißt, es ist angespannt, nervös und schreckhaft. Und wenn es oft geschlagen wird, erwartet es natürlich auch ständig Schläge. Das kann sich mit der Zeit so verschlimmern, dass das Pferd unreitbar wird. Jetzt gehen bitte alle, die kein Pferd halten müssen, zur Tribüne hinauf und setzen sich. Aber leise und ruhig, wenn’s möglich ist. Ihr anderen geht bitte ein bisschen zur Seite mit euren Pferden und verhaltet euch ebenfalls so ruhig wie möglich. Einer von euch kann mir helfen ... du da! Wie heißt du?“ Bille zeigte auf den Dicken, der vorhin so große Töne gespuckt hatte und der mit einem in Ehren ergrauten Rappen am Ende der Reihe stand.
    „Äh ... ich?“, stotterte der Junge.
    „Ja, du. Wie ist dein Name?“
    „Kilian. Kilian Hinrichs.“
    „Okay, Kilian. Komm her. Das Mädchen neben dir kann inzwischen dein Pferd halten. Eure beiden Rösser scheinen sich ja gut zu vertragen.“
    Kilian näherte sich zögernd dem angeblich so wilden Fuchs. Als Otto sich jetzt entfernte, war sein Hektor spürbar erleichtert. Bille lachte in sich hinein. Manche Probleme waren wirklich leicht zu lösen, wenn man ihnen nur ein wenig auf den Grund ging. Otto, von seinem Vater vermutlich streng dazu erzogen, keine Schwäche zu zeigen, sondern sich als würdiger Spross einer bedeutenden Familie zu präsentieren, hatte Angst vor diesem Pferd. Und der eigentlich gutwillige Hektor fürchtete sich vor den unvorhersehbar auf ihn niederprasselnden Schlägen.
    Nachdem auf der Tribüne Ruhe eingekehrt war, winkte Bille den jetzt sehr blassen Dicken zu sich heran. „Du siehst schön stark aus, Kilian. Du sollst mir nur aufsteigen helfen. Ich möchte jede heftige Bewegung vermeiden, verstehst du?“
    Kilian nickte. Dann formte er die Hände zu einer Räuberleiter, sodass Bille hineintreten und sich weich auf den Rücken des Fuchses legen konnte. Der zuckte nur ein wenig zusammen, die erwartete schreckhafte Reaktion blieb aus. Bille schob behutsam ihr rechtes Bein über die Kruppe. Dabei sprach sie beruhigend auf ihn ein. Kilian war vorsichtshalber in gebührendem Abstand in Deckung gegangen.
    Als Bille sich aufrichtete, riss Hektor den Kopf hoch und wich nervös schnaubend ein paar Meter zurück. Seine Ohren stellten sich nach hinten in Erwartung des ersten Hiebes mit der Reitgerte, aber nichts dergleichen geschah. Diese Frau da auf seinem Rücken saß völlig ruhig und klopfte ihm lobend den Hals. Dann steckte sie ihm ein Leckerli zu. „Brav, mein Feiner. Du machst das super, so ist es gut. Drehen wir eine kleine Runde?“ Bedachtsam nahm sie die Zügel auf und trieb den Wallach mit einem kaum spürbaren Schenkeldruck an. Hektor marschierte zögernd ein paar Schritte, immer noch darauf gefasst, dass im nächsten Augenblick etwas Schreckliches passieren konnte. Doch als sich weiterhin nichts ereignete, was Grund zur Unruhe gab, ging er freier vorwärts, in großen, schwungvollen Schritten. Bille sprach leise zu ihm, hielt ihn zwischendurch an und belohnte ihn mit weiteren Leckerlis. Dann wendete sie ihn und ließ ihn noch zwei Runden in die andere Richtung laufen. Mit jedem Schritt wurde Hektor gelöster. Und als Bille ihn schließlich in die Mitte lenkte, kaute er zufrieden auf seinem Gebiss .
    Bille ließ sich sanft vom Pferderücken gleiten und klopfte dem Fuchs den Hals. „Brav hast du das gemacht, mein Guter. Bist ein ganz toller Kerl.“ Wieder steckte sie ihm eine Belohnung zu. Dann wandte sie sich zur Tribüne.
    „Otto? Kommst du bitte runter zu uns?“
    Otto stolperte heran, und Hektor begann unruhig herumzutanzen. Bille legte ihm die Hand auf den Rücken. „Ruhig, Junge, ganz ruhig. Du bist in Sicherheit, kein Grund zur Panik.“ Dann drehte sie sich zu seinem Besitzer um. „Wenn du jetzt aufmerksam zugesehen hast, Otto, dann müsste dir ein Licht aufgegangen sein. Ich glaube, wir brauchen nicht weiter darüber zu reden, oder?“ Otto schüttelte stumm den Kopf.
    „Wir werden in den nächsten Wochen nichts anderes tun, als Hektors Vertrauen zu dir und dein Vertrauen zu Hektor aufzubauen. Ohne Reitgerte, ohne Prügel oder sonstige Gewalt. Dazu wirst du sehr viel Geduld benötigen! Und wenn du uns eines Tages verlässt , wird man in dir hoffentlich einen würdigen Vertreter des Tiedjenschen Reiterinternats sehen können. Außerdem wirst du viel mehr Freude am Reiten

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