Rückkehr von den Sternen
daà ich mich vorher darin gerade stehend hatte sehen können. Der Unterschied war minimal: aber schon vorher, als ich mein Hemd auszog, bemerkte ich etwas Sonderbares: das Hemd schien kürzer geworden zu sein. Fast als ob es eingelaufen wäre. Ich sah es mir genauer an. Ãrmel und Kragen waren unverändert. Ich legte das Hemd auf den Tisch. Es sah genauso aus wie vorher. Als ich es jedoch anzog, reichte es mir knapp über die Taille. Ich hatte mich verändert, nicht das Hemd.
Ich war also gröÃer geworden.
Dieser Gedanke war absurd, beunruhigte mich aber trotzdem. Ich verband mich mit dem Hotel-Infor und bat um die Adresse eines Arztes â Spezialist für Raumfahrtmedizin. Zum ADAPT wollte ich, solange es nur möglich war, nicht gehen. Nach einer kurzen Schweigepause, so als ob sich der antwortende Automat nicht schlüssig wäre â hörte ich die Adresse. Der Arzt wohnte in derselben StraÃe, einige Häuserblocks weiter. Ich ging zu ihm. Ein Roboter führte mich in ein groÃes, verdunkeltes Zimmer. AuÃer mir war niemand da.
Nach einer Weile kam der Arzt. Er sah aus, als ob er aus einem Familienfoto im Arbeitszimmer meines Vaters herausgestiegen wäre. Er war klein, aber nicht zierlich, grau, hatte einen kleinen weiÃen Bart und eine goldumrandete Brille â die ersten Gläser, die ich an einem menschlichen Gesicht seit meiner Landung sah. Er hieà Doktor Juffon.
»Hal Bregg?« sagte er. »Sind Sie es?«
»Ja.«
Er schwieg und sah mich lange an. »Was fehlt Ihnen?«
»Eigentlich nichts, Doktor, nur â¦Â«, ich erzählte ihm von meinen eigenartigen Beobachtungen.
Ohne ein Wort zu sagen, öffnete er mir eine Tür. Ich kam in ein kleines Behandlungszimmer.
»Ziehen Sie sich bitte aus.«
»Ganz?« fragte ich, als ich nur noch die Hose anhatte.
»Ja.«
Er besah mich von oben bis unten.
»Solche Männer gibt es nicht mehr«, murmelte er wie zu sich selbst. Er horchte mein Herz ab, indem er mir ein kaltes Hörrohr an die Brust legte. âºAuch noch in tausend Jahren wird es so seinâ¹ â dachte ich, und dieser Gedanke machte mir eine kleine Freude. Er maà meine GröÃe, dann muÃte ich mich hinlegen. Er betrachtete recht aufmerksam die Narbe unter meinem rechten Schlüsselbein, sagte aber nichts. Er untersuchte mich fast eine Stunde.
Reflexe, Lungenkapazität, EKG â alles. Als ich mich anzog, setzte er sich hinter einen kleinen, schwarzen Schreibtisch. Die Schublade, die er auszog, um darin zu kramen, quietschte. Nach all den Möbeln, die sich unter den Menschen wie besessen bewegten, gefiel mir dieser alte Schreibtisch sehr.
»Wie alt sind Sie?«
Ich erklärte ihm, wie es bei mir um diese Dinge stand.
»Sie haben den Körper eines dreiÃigjährigen Mannes«, meinte er.
»Haben Sie hyberniert?«
»Ja.«
»Lange?«
»Ein Jahr.«
»Warum?«
»Wir kamen mit einem verstärktem Schub zurück. Man muÃte sich ins Wasser legen. Amortisation, wissen Sie, Herr Doktor. Und da es einem schwerfällt, ein volles Jahr wach im Wasser zu liegen, so â¦Â«
»Selbstverständlich. Ich dachte, Sie hatten länger hyberniert. Dieses eine Jahr können Sie getrost abziehen. Nicht vierzig, sondern neununddreiÃig sind Sie.«
»Und ⦠das andere?«
»Es ist nichts, Bregg. Wieviel hattet ihr?«
»Beschleunigung? Zwei g.«
»Na, also. Sie dachten wohl, Sie wachsen weiter â wie? Nein. Wachsen tun Sie nicht. Ganz einfach: die Bandscheiben. Wissen Sie, was das ist?«
»Ja, solche Knorpel in der Wirbelsäule.«
»Eben. Die entspannen sich nun, da Sie aus diesem Druck heraus sind. Wie groà sind Sie?«
»Als ich abflog â war ich einssiebenundneunzig.«
»Und später?«
»Keine Ahnung. Gemessen habâ ich mich nicht; es gab da andere Sorgen, wissen Sie.«
»Jetzt sind Sie zwei Meter groÃ.«
»Eine schöne Geschichte«, sagte ich, »und geht das noch länger so?«
»Nein. Wahrscheinlich ist das schon alles ⦠Wie fühlen Sie sich?«
»Gut.«
»Alles scheint allzuleicht â wie?«
»Jetzt schon weniger. Im ADAPT auf Luna gab man uns Pillen zur Minderung der Muskelspannung.«
»Hat man euch angravitiert?«
»Ja. Während der ersten drei Tage. Sie meinten, es wäre nach so vielen Jahren zuwenig, andererseits
Weitere Kostenlose Bücher