Rücksichtslos
Antwort. Fragen über Fragen. Und alle ungelöst. Thomas fuhr fort und verteilte weitere Aufgaben. Zwei Kollegen würden nachforschen, ob es Auffälligkeiten gab, die darauf hinwiesen, dass im Frankfurter Raum oder in Gesamtdeutschland mit Babys gehandelt wurde. Zudem mussten sämtliche weißen Kombis in Frankfurt und Umgebung überprüft werden. Eine Mammutaufgabe.
„ Außerdem benötigen wir schnellstens eine Liste der vermissten Mädchen und jüngeren Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet. Ich denke, damit haben wir alle erst einmal genug zu tun. Und ich muss nicht betonen, dass weitere Menschenleben auf dem Spiel stehen. An die Arbeit.“
Während ihre Kollegen und Kolleginnen aufsprangen, blieb Katharina noch eine Weile sitzen und dachte nach.
„ Alles in Ordnung?“, fragte Thomas.
„ Überleg mal. Wenn es wirklich so wäre, dass hier irgendwo in Frankfurt so ein Hehler-Ring seinen Sitz hat. Das muss doch eine größere Sache sein. Jemand muss die passenden Frauen finden und sie an den entsprechenden Ort bringen. Und dort muss man sich um sie kümmern, bis die Kinder zur Welt kommen. Und wenn dieser Ort mehrere Schwangere beherbergen sollte, muss er doch etwas größer sein. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Gefangenen, wenn es wirklich so sein sollte, alles vollkommen ruhig über sich ergehen lassen. Wo wäre das möglich, ohne dass es jemand mitbekommt?“
„ Sehr viele Wenn. Aber du hast recht. Mist. Das hört sich nach einer fast unlösbaren Aufgabe an. Wir müssen diesen Ort finden. Nur wie?“
Katharina hatte auch keine Lösung parat. Mit einem Mal fühlte sie sich klein und hilflos. Sie stand auf, um ihr Büro aufzusuchen, doch Thomas hielt sie zurück.
„ Eines habe ich gerade nicht erwähnt. Wenn der Mörder diese Frau aufgrund des Zeitungsberichtes erschossen hat, bist auch du in Gefahr. Er muss davon ausgehen, dass sie dir irgendetwas verraten hat. Immerhin hat er dir im Park auch Kugeln hinterhergejagt.“
Sie nickte. Genau das spukte ihr auch schon im Kopf herum. Doch dass ihr Partner es so klar formulierte, machte das Ganze noch bedrohlicher.
Der Tag verging wie im Flug, ohne dass es großartige, neue Erkenntnisse gab. Uwe Kröger hatte ihr eine Liste vermisster Frauen aus dem Großraum Frankfurt vorgelegt. Darunter waren drei, bei denen das Alter und die äußeren Umstände, die zu ihrem Verschwinden geführt hatten, stimmen konnten. Im Lauf des Nachmittags legte er ihr eine größere Liste mit Namen aus ganz Deutschland vor. Katharina seufzte. Namen allein brachten sie nicht weiter. Zudem waren es erschreckend viele. Wie konnte jemand einfach so verschwinden? Und warum hauten etliche dieser jungen Dinger von daheim ab? Von einigen hörten die Eltern nie wieder etwas. Gerade so, als wären sie vom Erdboden verschluckt worden. Und sie wusste, dass nur der kleinere Teil von ihnen einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Sie heftete die Namen an eine große Pinnwand. Daneben hing eine Karte von Frankfurt und Umgebung. Auf ihr hatte sie die Leichenfundorte markiert. Eine ganze Weile blieb sie davor stehen und durchlöcherte die Karte regelrecht mit ihren Blicken, in der Hoffnung, der Ort, an dem die anderen Frauen festgehalten wurden, spränge ihr ins Auge. Sie glaubte, was ihr die junge Frau im Park erzählt hatte, und Katharina glaubte auch, dass sie sterben musste, weil sie sich mit ihr, der Kommissarin, getroffen hatte. Als Katharina irgendwann wieder aufblickte, war es draußen schon stockdunkel. Da sie gedanklich eh auf der Stelle tappte, wandte sie sich entschlossen ab. Auf dem Heimweg überlegte sie verzweifelt, wo diese Frauen untergebracht sein könnten.
Als sie zu Hause ins Wohnzimmer kam, blieb sie wie angewurzelt stehen. Mist. Sie hatte den Besuch völlig vergessen .
„ Hallo, mein Schatz. Schön, dass du da bist.“ Philipp begrüßte sie mit einem Kuss auf die Lippen und stellte ihr anschließend Jürgen und Deborah Hagen vor.
„ Freut mich. Wenn ihr mich kurz entschuldigen würdet. Fangt einfach schon mal mit dem Aperitif an“, murmelte sie und zog sich ins Bad zurück. Diese Deborah Hagen sah so adrett aus. Und bei dem dezenten Parfumduft, der von ihr ausging, fühlte sich Katharina nach ihrem anstrengenden Arbeitstag augenblicklich so schmuddelig und verschwitzt, dass sie regelrecht unter die Dusche flüchtete und sich noch gründlicher als sonst einseifte.
Wenig später kehrte sie, sich bedeutend wohler fühlend, mit noch feuchten, offenen Haaren
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