Rückwärtsleben: Roman (German Edition)

zu melden, verpassen Sie jemanden, der Ihr Leben verändern könnte. Das glauben Sie nicht? Probieren Sie es aus!
    GEGENSÄTZE ZIEHEN SICH AN. Wenn Sie also dumm, hässlich, herzlos und langweilig sind, dann sind Sie beim Richtigen gelandet!
    ZUNEHMEND DEMORALISIERTER MANN, zu alt für dieses Spiel, wartet wider bessere Einsicht immer noch auf das Ende der Einsamkeit.
    Ich bin nicht unbedingt stolz auf dieses Kapitel meiner Publikationstätigkeit, und ich gehe hier nur darauf ein, um es hinter mir zu lassen. Zu meiner Verteidigung kann ich anführen, dass viele dieser verzweifelten Tiraden nicht im Geist wehleidiger Melancholie geschrieben wurden, sondern bewusst selbstironisch. Eine wurde sogar von Kollegen mitverfasst, die in ruhigen Phasen in der Praxis nacheinander ein, zwei Worte beisteuerten. Ich möchte hier nicht die allzu bekannte Vision des tragischen Philosophen und Depressionsgurus beschwören, der für sich selbst Psychiater spielen will und nicht gegen den eigenen Kummer ankommt, denn das Leben hatte nie diese romantische Traurigkeit für mich. Zwar ergab sich nie etwas wirklich Aufregendes daraus, doch die laufende Farce meiner Suche nach einer Seelenverwandten hauchte den Tagen und Wochen ein wenig Farbe ein, und je mehr von meinen Kollegen darauf einstiegen, desto mehr genoss ich meine Rolle als sympathisch tollpatschiger Serienpechvogel in Sachen Liebe. Im Verlauf einer bemerkenswerten Reihe von Missgeschicken (eine perfekt klingende Kandidatin, die nicht zur Verabredung erschien, gefolgt von einer, die einen epileptischen Anfall hatte, und einer weiteren, deren Exfreund ungebeten auftauchte und mich mit einem Fleischerbeil bedrohte) entwickelte ich das rührselige Erzählen zu so einer Kunst, dass ich auf die Frage »Na, ist dir am Wochenende die große Liebe begegnet, Pete?« jederzeit eine Antwort finden und zugleich mein Publikum mit einer wahren Geschichte fesseln konnte. Irgendwann spielte ich sogar mit dem Gedanken, meine Erlebnisse fürs Fernsehen aufzubereiten, und schrieb ein Exposé mit dem Titel Kontaktanbahnung für einen Bekannten, der als Drehbuchlektor in Toronto arbeitete. (Er ließ nie etwas von sich hören, doch als Jahre später die Sitcom Frasier anlief und sich die Welt für den Psychiater und unbeholfenen Schürzenjäger erwärmte, war ich kurz davor, einen Anwalt einzuschalten.) Das Singledasein hatte also durchaus auch angenehme Seiten. Doch manchmal wurden mir die Witze meiner etwas boshafteren Kollegen einfach zu viel, und ich fing an, mich nach einem Tapetenwechsel zu sehnen.
    Die Möglichkeit dazu zeichnete sich in einem Artikel ab, der eines Tages im Feuilleton des Chicago Herald erschien, nur wenige Seiten nach meinem jüngsten unrühmlichen Anzeigenauftritt.
    FARCE UM TRAGÖDIE BRINGT PUBLIKUM IN RAGE
    Chicago Herald , 4. Mai 1968
    William Shakespeares Macbeth , häufig abergläubisch als »schottisches Stück« bezeichnet, um Katastrophen vorzubeugen, weist eine lange Geschichte seltsamer Probleme für Schauspieler und Bühnenregisseure auf. Jetzt scheint auch die jüngste New Yorker Produktion von dem Fluch betroffen.
    Am Dienstag reagierten Hunderte von Zuschauern im Charterhouse mit Verwirrung und Zorn auf die kurzfristige Absage der Abendvorstellung von Macbeth , für die kein Grund genannt wurde. Dem voll besetzten Haus wurde lediglich mitgeteilt, dass das Stück »wegen unvorhergesehener Umstände« nicht aufgeführt werden konnte. Als der Theatersprecher sich dazu verstieg, von einer ironischen Fügung zu sprechen, da es im Stück um Prophezeiungen und das Unvermeidliche gehe, wurden einige Zuschauer unruhig und buhten den Direktor Julian Mackensie aus. Mackensie wollte das Rätsel auch hinterher nicht erklären, doch es kursieren Gerüchte, dass der Ausfall sich der launischen Hauptdarstellerin Lily Ripley verdankte. Die achtunddreißigjährige britische Schauspielerin, eine langjährige Bekannte Mackensies, hat sich für ihre zerfahrenen jüngsten Auftritte und ihr unberechenbares Verhalten von Zuschauern und Kollegen gleichermaßen Kritik gefallen lassen müssen. Kürzlich verschwand sie bei einer Aufführung in einer Schlüsselszene fast zehn Minuten von der Bühne und zwang ihren Bühnenpartner (siehe Bild unten), das Publikum mit einer Reihe improvisierter Bemerkungen zu unterhalten.
    Es wird gemunkelt, dass Miss Ripley unter Auftrittsangst leidet und möglicherweise auf unbestimmte Zeit von der Zweitbesetzung Victoria Dobson vertreten wird.
    Diese