Ruegen Ranen Rachedurst
haben uns sehr angeregt unterhalten. Sie hatte ein beeindruckendes geschichtliches Wissen über Deutschlands größte Insel.“
Dann erzählte Lydia noch von dem Schwanenpaar, das sie bei ihrem Spaziergang durch die Goor in der Bucht beobachtet hatte. Sie schilderte lebhaft, wie sie von den Schwaneneltern angefaucht wurde, die ihre vier Jungen in der Nähe des Ufers gründeln ließen. Die ersten Tauchversuche der Kleinen wären allerliebst anzusehen gewesen. George war sofort Feuer und Flamme und wollte die Schwanenfamilie fotografieren. Lydia beschrieb ihm den kürzesten Weg zu der Bucht, der am Yachthafen vorbei direkt zur Endhaltestelle des „Rasenden Rolands“, der Rügen‘schen Kleinbahn, führte und dann unterhalb des Hotels Badehaus Goor verlief. Der Reporter berichtete daraufhin, dass er sich in seiner Heimatstadt Geilenkirchen intensiv um die dort im Wurmauenpark ansässigen Schwäne kümmere. Es käme immer wieder vor, dass Schwäne von Jugendlichen verletzt oder sogar getötet würden oder Kinder mutwillig das Gelege zerstörten. Das mache ihn furchtbar zornig, und er habe schon einige Artikel dazu veröffentlicht.
Mit der Kamera bewaffnet, machte George sich sogleich auf den Weg, während das Ehepaar Benecke es sich im Strandkorb vor dem Hotel gemütlich machte.
***
Nachdem Benecke noch mehrmals versucht hatte, Hauptkommissar Jensen zu erreichen, was nicht von Erfolg gekrönt war, fuhren sie abends zu dritt mit Georges Wagen los. Während der Fahrt probierte es Benecke ein weiteres Mal – sowohl mit Jensens Mobilfunknummer als auch unter seiner Büronummer in Stralsund.
„ Hat wohl schon Feierabend gemacht“, lautete Georges Kommentar.
„ Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen“, gab Benecke leicht verstimmt zurück. „Aber vielleicht ist er so intensiv in die Verhöre von dieser Gerlinde Grasmück involviert, dass er denkt, den Fall schon so gut wie gelöst zu haben.“
„ Morgen ist doch auch noch ein Tag“, meinte Lydia und seufzte. „Wahrscheinlich einer, an dem ich mir alleine die ehemalige Residenzstadt Putbus oder den Burgwall der Jaromarsburg in Arkona ansehen kann. Denn ich nehme an, dass ihr zwei dann wieder auf Mörderjagd geht!“
Ihrem Gesicht sah man an, was sie davon hielt.
„ Na ja, solange der Kerl noch nicht gefasst ist, der das getan hat, bin ich schon etwas unruhig und kann mich sowieso nicht auf touristische Highlights konzentrieren“, gab Benecke zu.
„ Kerl?“, fragte George plötzlich. „Dann ist für Sie also Gerlinde Grasmück, die Hauptverdächtige der Polizei, schon ausgeschieden? Frauen können auch mit einer Axt Köpfe abschlagen – und mit diesem Temperament und dieser Wut, die die Dame bisher demonstriert hat …“
„ Mmmh …“, murmelte Benecke.
„ Und wenn man dann noch bedenkt, dass man eine Axt bei ihren Sachen gefunden hat …“, fuhr der Reporter unbeirrt fort.
„ Frauen sind zwar deutlich seltener Täter bei Mordfällen als Männer, doch während der letzten Jahrhunderte haben sich die Methoden, die sie benutzen, weg vom klassischen Giftmord und hin zu gewalttätigeren Techniken entwickelt. Das Klischee, Frauen würden hauptsächlich ,sanfte Mordmethoden‘ benutzen, stimmt heutzutage jedenfalls nicht mehr. Mark und ich haben dieses Jahr einen interessanten Vortrag mit aktuellen Zahlen dazu auf der Jahrestagung der American Academy of Forensic Sciences in Seattle gehört“, warf Lydia ein, die sich bei der Arbeit mit ihrem Mann auch mit psychologischen Untersuchungen von Kriminalfällen beschäftigte.
„ Ich bin jetzt auch nur von einem männlichen Tatverdächtigen ausgegangen, weil der von den Zeugen beschriebene Mann mit dem Ziegenbart wohl definitiv nicht Gerlinde Grasmück war! So ungenau waren die Zeugenaussagen dann nun auch wieder nicht“, erwiderte Benecke.
„ Und wer sagt, dass der Ziegenbart-Typ überhaupt etwas mit der Sache zu tun hatte?“, fragte nun wieder Lydia. „Nur wegen des Handwagens?“
„ Wir drehen uns nur noch im Kreis“, stellte George deprimiert fest.
„ Weil uns irgendein entscheidender Anhaltspunkt noch fehlt!“, nickte Benecke, der quasi nur nebenbei registrierte, dass sie den Gasthof „Zur Linde“ erreicht hatten. Weil es so ein schöner Abend war, setzten sie sich nach draußen, nachdem sie zuerst drinnen die rustikalen Räumlichkeiten besichtigt hatten. Benecke aß nicht viel, aber George und Lydia langten kräftig zu. Der Kriminalbiologe hatte sein MacBook dabei, obwohl
Weitere Kostenlose Bücher