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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wert darauf, dass sie schon vor dem ersten Tragen Wasserflecken haben.«
     
    Allein in der Toilette des Cafés ärgerte sie sich über ihren Ausbruch. Ihre Haare waren fast wieder trocken und mit zwei Handgriffen in Form gebracht. Es gab überhaupt keinen Grund, derartig aus der Haut zu fahren. Mist! Wahrscheinlich erzählte Natty Hannes gerade, dass sie schon immer eine Zicke gewesen sei, die bei jeder Kleinigkeit bockig reagierte. Sie versuchte sich einzureden, dass es keine Rolle spielte, was dieser geistesschlichte Typ von ihr hielt. Nur leider fehlte ihr diesbezüglichjedes Überzeugungstalent. Weder war er ein kindischer Dummkopf, noch war es ihr gleichgültig, ob er sie mochte oder nicht. Daran konnte auch die Tatsache, dass er bereits vergeben war, nichts ändern. Er war ein intelligenter Mann, mit dem man Spaß haben konnte, er sah gut aus, war unternehmungslustig und wohnte direkt nebenan. Mit anderen Worten: Er war Mr Right. Und sie war Miss Doofnuss. Jedenfalls in seinen Augen.
    Deike verspürte den dringenden Wunsch, durch das Toilettenfenster zu fliehen und den beiden erst einmal aus dem Weg zu gehen. Wäre Natty nicht hier, wäre das alles nicht passiert. Sie hätte ihn nicht mit der Frau gesehen, nicht in der Fußgängerzone getroffen. Und wenn, dann hätte sie ihn abgewimmelt. Und falls sie sich doch auf Eisessen mit ihm eingelassen hätte, dann wäre er es wenigstens allein gewesen, der sich in dem kleinen Wasserpark über sie amüsiert hätte. Da wäre niemand gewesen, mit dem er sich auch noch gegen sie hätte verbünden können. Wahrscheinlich hätte sie sogar mit ihm lachen können, dachte sie. Aber vor Natty hatte sie sich wieder einmal bloßgestellt gefühlt. Ob es eine gute Idee war, wenn sie hier eine Stelle annahm? Deike schämte sich bei diesem Gedanken und fühlte sich gleich noch ein bisschen schlechter.

10.
    Am nächsten Tag unternahmen Deike und Natty einen Ausflug nach Hiddensee. Die Fähre brauchte nur eine Dreiviertelstunde, um die beiden auf das kleine autofreie Eiland zu bringen, das der Westküste Rügens vorgelagert war. Natürlich musste Deike während der Überfahrt noch öfter an Hannes denken als in den letzten Tagen ohnehin schon. Ihre Launehatte sich nicht mehr so recht erholt, seit sie ihn im Park der Klinik gesehen hatte. Sie wollte allein sein, ihre vier Wände wieder für sich haben. Natürlich wusste sie, dass es unfair war, aber sie würde sich trotzdem am kommenden Tag für ein paar Stunden davonstehlen und arbeiten, obwohl es Nattys letzter Tag war.
    Sie liefen von Kloster nach Norden in Richtung des Vogelschutzgebiets
Toter Kerl
, wo einst der Friedhof gefährlicher wilder Männer gelegen haben sollte, und von dort zu dem pieksauberen weißen Leuchtturm. Welch ein hübscher Kontrast vor dem blauen Himmel! Die Stufen hinauf waren glücklicherweise nicht so zahlreich, wie Deike befürchtet hatte, die kurze Anstrengung wurde mit einem phantastischen Ausblick bis herüber nach Rügen belohnt. Zwischen Sanddornbüschen und Dünengras spazierten sie anschließend zurück nach Kloster und kehrten im Gerhart-Hauptmann-Haus ein. Neben Arbeits-, Bade- und Schlafzimmer beeindruckte sie vor allem der Weinkeller, der zu Lebzeiten des Schriftstellers gewiss immer üppig gefüllt gewesen war. Nach der Besichtigung blieb ihnen noch genug Zeit, um nach Vitte zu laufen. Dort, im größten Ort der Insel, nahmen sie die Fähre zurück. Sie waren beide recht schweigsam. Auch jetzt auf dem kleinen Schiffchen vergrub Natty ihre Nase in ihren Reiseführer, während Deike aufs Meer schaute.
    »Schade, dass wir keinen Abstecher nach Neuendorf geschafft haben«, sagte Natty einmal, ohne von ihrem Buch aufzusehen. »Da soll es ganz viele weiß getünchte Reetdachhäuser geben, die allesamt unter Denkmalschutz stehen. Man kommt sich vor, als würde man Hunderte von Jahren in die Vergangenheit reisen, wenn man das ruhige Fischerdorf besucht, steht hier.«
    »An einem Tag kann man nun einmal keine komplette Insel besichtigen, selbst wenn sie so klein ist wie Hiddensee.«
    Deike dachte, dass sie noch mal herkommen konnten, womöglich,wenn Natty auf Rügen wohnte. Sie war sicher, ihre Schwester hatte den gleichen Gedanken, aber keine von beiden sprach ihn aus.
     
    Nachdem es in der Nacht beinahe ununterbrochen gegossen hatte, zeigte sich Nattys letzter Urlaubstag von seiner strahlendsten Seite. Es war warm genug, um auf eine Jacke zu verzichten, aber nicht so heiß, dass man sich vor der Sonne

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