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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verkriechen wollte. Ein laues Lüftchen wehte, und die Luft war wunderbar frisch und klar. Es war ein Jammer, nicht noch einen Ausflug zusammen zu machen. Immerhin gab es noch so unendlich viel zu entdecken. Von Rügens Westen hatte Natty kaum etwas zu sehen bekommen. Dabei lohnte sich bestimmt ein Besuch in Gingst, das viele für den schönsten Ort überhaupt hielten. Der Park, in dem man Miniaturen von berühmten Gebäuden bewundern konnte, lockte Deike nicht, aber die berühmten Historischen Handwerkerstuben hätten ihnen beiden sicher gut gefallen. Von Nordperd, jenem östlichsten Zipfel, den Hannes ihnen so ans Herz gelegt hatte, gar nicht zu reden. Auch dort waren sie nicht gewesen. Natty beklagte sich nicht. Sie wollte um den Bodden spazieren, während Deike im Büro war.
    »Mach dir keine Gedanken, Schwesterchen, ich finde es schon toll, dass du dir überhaupt so viel Zeit für mich nehmen konntest. Damit habe ich gar nicht gerechnet«, meinte sie.
    Aber Deike machte sich Gedanken. Sie erledigte in der Redaktion das Nötigste und fuhr schon nach knapp fünf Stunden zurück nach Hause.
    Sie fand Natty auf der Terrasse, der Länge nach auf einem Liegestuhl ausgestreckt. Als sie Deike kommen hörte, hielt sie sich eine Hand über die Augen und blinzelte ihr gegen die Sonne entgegen.
    »Du bist aber früh zurück. So ein Pech, du hast um ein paar Sekunden Hannes verpasst. Stell dir vor, der radelt meistens in der Mittagspause nach Hause, um hier zu essen.«
    »Ja und?«
    »Das sind immerhin fast dreißig Kilometer.« Natty pfiff durch die Zähne. »Sportliche Leistung! Weißt du, was der für ein Durchschnittstempo draufhaben muss?«
    »Der hat ja auch ein Rennrad.«
    »Trampeln muss er trotzdem selber.«
    »Was wollte er überhaupt?«
    »Er möchte uns heute Abend zum Essen einladen.« Natty spitzte die Lippen. »Es ist ihm nicht entgangen, dass du seine Bewässerungsaktion nicht lustig gefunden hast. Da will er wohl ein bisschen schön Wetter machen.«
    »Ach, das ist doch längst vergessen«, sagte Deike beschämt. Ein wenig freute sie sich schon, dass ihm ihr Ärger offenbar nicht gleichgültig war. »Hast du ihm gesagt, dass es heute Abend nicht passt?«
    »Nein, wieso sollte ich? Wir haben doch noch nichts vor, oder?« Natty schien ernsthaft zu überlegen.
    »Es ist dein letzter Abend. Unser letzter Abend zum Quatschen und Albern und so. Ein Fremder stört da nur, finde ich.«
    »So fremd ist er ja wirklich nicht mehr.« Natty sprang auf. »Außerdem ist bis heute Abend noch jede Menge Zeit zum Albern und Klönen. Das sagt ihr doch hier im Norden, oder?«
    »Ja, das sagen wir.«
    »Los, wir haben noch immer nicht die Heilkreide ausprobiert. Das machen wir jetzt.«
    »Moment mal, was hast du ihm denn gesagt?«
    »Wem, Hannes? Ich habe gesagt, dass das eine total netteIdee ist, du dich bestimmt auch riesig freust und wir gegen acht Uhr startklar sind.«
    »Klasse! Ich werde also nicht einmal gefragt?«
    »Nö!« Natty grinste sie frech an, griff nach ihren Haaren und legte diese vor ihr Gesicht. Das hatte sie als kleines Mädchen immer gemacht, wenn sie etwas ausgefressen hatte. Dann hatte sie sich hinter ihrer Mähne versteckt, als könne man sie nicht sehen, wenn sie nichts sehen konnte.
    Deike musste lachen. Ein warmes Gefühl machte sich in ihr breit. Sie hatte ihre Schwester einfach zu gern, wenn sie sie auch noch so oft verfluchte. »Na warte … Also schön, schmieren wir uns gegenseitig mit Kreide ein. Du bist zuerst an der Reihe.«
     
    »Auf der Seebrücke von Sellin ist Grillfest. Das machen die immer richtig gut. Die Atmosphäre ist schön, das Essen ist sowieso klasse, und man kann draußen sitzen.«
    »Hört sich toll an.« Deike hatte noch Bauchschmerzen, so sehr hatte sie mit Natty an diesem Nachmittag im Badezimmer gelacht. Sie hatten sich Gespenstergesichter gemalt und zwischendurch schon befürchtet, sie würden die Pampe, die entstanden war, nachdem sie die Kreide mit Öl vermischt hatten, gar nicht mehr von der Haut bekommen. Seit Tagen fühlte sie sich das erste Mal wieder blendend und wollte dieses Wohlgefühl unbedingt auch Hannes zeigen.
    Die Holztreppe hinunter zur Seebrücke war nach dem vielen Regen noch ein wenig rutschig. Hannes bemerkte das sofort und kehrte den Gentleman heraus. »Meine Damen«, sagte er und bot beiden einen Arm. Sie hakten sich unter und stolzierten an seiner Seite die Stufen hinab. Deike war heilfroh über den Halt, den er ihr gab, denn sie hatte natürlich

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