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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Die Kellnerin, die Deike bei deren erstem Besuch auf der Seebrücke den Dorsch serviert hatte, kam mit einem Handtuch herbei und tupfte Hannes fürsorglich den Nacken.
    »Danke, das mache ich besser selbst.« Er nahm ihr das Frottiertuch aus der Hand, tupfte sich kurz ab und meinte dann: »Der Rest trocknet von allein. Ist ja nur Wasser!«
    »Da hat der liebe Gott wohl deine hinterhältige Wasser-Marsch-Aktion von neulich bestraft, was?« Deike fing schon wieder an zu lachen. »Das geschieht dir recht.« Sie musste sich eingestehen, dass er mit der Situation ausgesprochen humorvoll umging. Außerdem sah er auch noch blendend aus. Das leuchtend blaue Leinenhemd, das ihm ohnehin sehr gut stand, klebte ihm jetzt am Körper, was sie ziemlich sexy fand.
    »Tja, kleine Sünden bestraft der liebe Gott eben zuverlässig.Auf den Schreck muss ich erst recht ein halbes Lamm auf Toast verdrücken.«
    Die Sonne war inzwischen untergegangen. Man hatte Lichterketten entzündet, die das komplette Restaurant einrahmten. Fackeln brannten, die Flammen vom Wind in ständiger Bewegung.
    Es war eine einzigartige Atmosphäre. Die drei unterhielten sich prächtig. Deike wollte beim besten Willen nicht in den Kopf, dass sie mit Hannes bis vor nicht einmal einer Woche nichts zu tun gehabt hatte, von lächerlichen Nachbarschaftsstreitereien über den Parkplatz oder zu laute Musik einmal abgesehen. Wie passte sein kleinliches Spießer-Verhalten zu dem aufgeschlossenen äußerst lebendigen Mann, der er doch zu sein schien? Mit der Frage war sie komplett überfordert.
    »Du hast Kreide im Ohr«, sagte er gerade zu Natty.
    »Ehrlich? Zeig mal her!« Deike freute sich, dass nach ihrer und Hannes’ Blamage endlich auch Natty Grund zur Heiterkeit sein könnte.
    Natty drehte ihr den Kopf zu, da wurde es dunkel. Alle Lichter im Restaurant wurden gelöscht, nur die Lichterketten brannten noch und zeichneten die Formen der Türmchen und Bögen leuchtend weiß auf den schwarzen Nachthimmel.
    »Das Feuerwerk fängt an. Lasst uns dort hinüber gehen, von da haben wir die beste Sicht.« Schon führte Hannes die beiden zur hölzernen Brüstung neben dem Restaurantgebäude.
    »Habe ich wirklich Kreide im Ohr?« Natty drehte Deike das Profil zu und strich die Haare zurück.
    »Wie soll ich denn in der Dunkelheit etwas sehen? Wir gehen nach dem Feuerwerk mal zur Toilette.«
    Während Natty mit Zeigefinger und Daumen ihre Ohren nach einer verräterischen Kruste abtastete, spürte Deike plötzlichdie Hand von Hannes auf ihrem Rücken. Sanft schob er sie ganz nach vorn an die Brüstung.
    »Von hier hast du den schönsten Blick«, flüsterte er ihr zu, den Mund ganz dicht an ihrem Haar. »Das Feuerwerk spiegelt sich im Wasser. Das macht es so besonders.«
    Ein Knall ertönte, und das Spektakel begann mit einem Blitz, der den Himmel leuchten ließ. Die Schläge der explodierenden Raketen und der Schwefelgeruch versetzten Deike in eine ganz eigene Stimmung, in die typische Silvesterstimmung. Wehmut über das Vergangene mischte sich mit Spannung und Vorfreude auf das Neue. So ging es ihr auch jetzt, als glitzernde Spiralen in den Himmel stiegen und sich in einem Sternenregen auflösten, rot-, grün- und gelbglühende Kugeln zerbarsten und anscheinend funkelndes Konfetti zur Erde segeln ließen. Die nächsten Feuerwerkskörper ließen strahlend weiße Palmen in den Himmel wachsen. Das Spiegelbild wurde von den Wellen augenblicklich verzerrt und schwamm wie moderne Kunst zu Deikes Füßen. Dazu der Salzgeruch des Meeres, der sich mit Vanille-, Frucht- und Schokoladenaromen mischte, Vorboten des Dessertbuffets, und die milde Luft, die ihr heute irgendwie weicher vorkam als sonst – das alles war so unwirklich. Sie spürte wieder Hannes’ Hand auf ihrer Schulter. Wollte er sie auf etwas aufmerksam machen? Sie drehte sich um und stieß beinahe gegen ihn, so dicht stand er bei ihr. Er ließ nicht los, sondern seine Hand ihren Rücken hinabgleiten, bis sie auf ihrer Taille liegenblieb. Dabei sah er sie mit diesem sanften tiefen Blick an, der Deike auf der Stelle zum Schmelzen brachte. Sie sah das Feuerwerk, das sich in seinen Augen spiegelte.
    Von hier habe ich den schönsten Blick, dachte sie. Sie hätte ihn liebend gern umarmt, ihn geküsst, sich an ihn gekuschelt. Doch sie lächelte ihn nur an und drehte sich wieder um.Träumte sie das alles? Flirtete er plötzlich mit ihr und nicht mit Natty? Sie wollte sich keine Gedanken darüber machen.
     
    Unvernünftig spät

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