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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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erschlagen können, aber das Gespräch war so nett, dass ich dir die gemeine Klopf-Attacke ganz schnell verziehen habe.«
    »Da bin ich aber froh«, murmelte Deike dumpf. Sie löste sich sanft aus der Umarmung. »Und, hast du schon einen Vertrag?«
    »Das nicht, aber die brauchen wirklich ständig Sport- und Physiotherapeuten, Krankengymnasten und Masseure!« Ihre Augen strahlten.
    »Das hört sich doch gut an.« So recht wollte es Deike nicht gelingen, Begeisterung in die Stimme zu legen. Sie sah noch immer Hannes vor sich, wie er diese zerbrechliche Person zärtlich im Arm hielt.
    Natty war so aufgekratzt, dass sie Deikes Zurückhaltung gar nicht bemerkte.
    »Ich habe natürlich keine Ahnung, was die bezahlen, wiedie Arbeitszeiten sind und so. Aber die Ausstattung scheint topmodern zu sein, alles vom Feinsten.« Während sie das Gebäude verließen und zum Auto zurückgingen, redete sie unaufhörlich. Sie erzählte von speziellen Therapien, die man hier praktizierte. Deike hatte keinen Schimmer, was sich dahinter verbarg. Sie war nur froh, dass sie nicht zu reden brauchte, sah sich ständig nach Hannes um, in der Hoffnung, ihm nicht über den Weg zu laufen, und sagte nur ab und zu: »Aha«, oder »Ist ja interessant.«
    Kaum, dass sie im Auto saßen, klatschten die ersten Tropfen auf die Scheibe.
    »So, Schwesterchen, jetzt bist du an der Reihe. Jetzt geht’s zum Schuhkauf! Das ist genau das Richtige bei dem Wetter.«

9.
    Sie steuerten Binz an, das ultimative Shopping-Zentrum der Insel, wenn Deike richtig informiert war. Ausprobiert hatte sie es bisher noch nicht. Und sie hatte auch jetzt keine Lust dazu. Aber sie wollte Natty, die sich freute, als hätte sie soeben den besten Arbeitsvertrag ihres Lebens unterzeichnet, nicht enttäuschen. Außerdem brauchte man keine Einkaufslust, um unförmige doofe Schuhe zu kaufen. Das war ja wohl eher eine Pflichtübung. Sie schüttelten den großen Schirm aus, unter dem sie sich aneinandergedrängt hatten, und betraten den ersten Laden.
    Deike sah sich ohne rechtes Interesse um. Am liebsten hätte sie Natty vorgeschlagen, irgendwo einen Kaffee mit ganz viel Milchschaum und irgendeinem fiesen Sirup zu trinken, der das Kaffeearoma mit unvorstellbarer Süße übertünchte. Genaudanach war ihr zumute. Doch dann sah sie sie! Sie standen auf einer Präsentationsfläche der neuen Kollektion: knallrot, halboffen, glänzendes edles Leder, gewagt hohe Absätze.
    Natty näherte sich der Abteilung mit den Wanderschuhen. »Hier, ich habe sie gefunden«, rief sie.
    »Ich auch«, rief Deike zurück und bekam kurzfristig wieder gute Laune. Sie nahm ein Exemplar in die Hand und prüfte die Größe. Wenn Hannes sie in diesen rassigen Dingern sehen würde, dann täte es ihm aber leid, mit so einem blassen Klappergestell liiert zu sein.
    »Findest du, die sehen nach Wanderschuhen aus?« Natty starrte fassungslos auf die hohen Hacken.
    »Wanderschuhe kaufe ich mir nächstes Mal. Du musst zugeben, solche Prachtexemplare findet man nicht oft, und ich muss mir doch mal etwas Schönes gönnen.« Schon schlüpfte sie in den ersten Schuh.
    Natty spielte mit dem Ende ihres Zopfs. Sie zog missbilligend die Brauen hoch. »Wenn du meine Meinung hören willst: Mit den Dingern stöckelst du geradewegs in die Klinik in Wiek. Guck doch mal, wie deine Zehen gequetscht werden!« Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich habe es mir gerade überlegt: Deine Meinung will ich gar nicht hören.«
    Natty versuchte noch einmal, auf ihre Schwester einzuwirken, aber Deike war nicht mehr zu bremsen.
    »Die sind total bequem. Das kannst du dir nicht vorstellen.«
    »Stimmt, kann ich nicht.«
    »Gekauft!«
    »Ich fasse es nicht. Und was ist mit bequemen sportlichen …?«
    »Nächstes Mal.«
    Solange der Regen gleichmäßig niederprasselte, stürmten sieeine Boutique nach der anderen. Natty kaufte einen Rock, den Deike auf dem Bügel keines Blickes gewürdigt hätte. An ihrer Schwester sah er toll aus. Wie machte sie das bloß? Da die rassigroten Schuhe mehr als eine Kleinigkeit gekostet hatten, brauchte sie sich darüber jetzt keine weiteren Gedanken machen, denn ihr Budget für diesen Einkaufsbummel war erschöpft.
    Endlich riss der Himmel auf, erste Sonnenstrahlen kämpften sich durch die Wolken, und es war wieder trocken. Sie schlenderten durch die Fußgängerzone, kauften sich ihre Kreidepackung und malten sich aus, wie viel Spaß sie damit haben würden. An einem kleinen Platz, wo die Fußgängerzone auf die Strandpromenade

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