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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dieneuen Schuhe angezogen und musste sich noch sehr an die Höhe der Absätze gewöhnen. Außerdem genoss sie es, seine körperliche Nähe zu spüren. Sollte er doch zu einer anderen gehören – heute Abend war er mit ihr zusammen.
    Vor den großen Sprossenfenstern, die fast die gesamte Front des Restaurants einnahmen, standen vier weiße Pavillonzelte. Die Seitenwände waren seitlich aufgerollt und mit goldenen Schleifen am Rahmen festgebunden. Von einem großen Grill, der unweit von einem der Zelte stand, zog bereits verführerischer Duft herüber. Es roch nach brutzelndem Fleisch, aber auch nach Rosmarin, Thymian und gerösteten Zwiebeln.
    Deike schnupperte. »Mmh, das duftet herrlich. Ich kriege Hunger!«
    Sie fanden Platz in der Nähe des Grills. Zwar ragte der Tisch ein wenig unter dem Zeltdach hervor, aber regnen würde es, das versprach der wolkenlose Himmel eindeutig, ohnehin nicht mehr. Hannes opferte sich und wählte den Platz ganz am Rand, so konnten Deike und Natty unter dem Dach sitzen und besser mit den anderen Gästen an der langen Tafel ins Gespräch kommen. Kellner mit bodenlangen weißen Schürzen eilten geschäftig umher, verteilten Brotkörbe und Soßenschälchen auf den Tischen und nahmen die Getränkebestellungen entgegen. Von irgendwoher wehte Klaviermusik zu ihnen herüber, die sich mit dem Rauschen der Wellen unter ihren Füßen zu einem faszinierenden Klangteppich vereinigte.
    »Ich habe die Seebrücke zwar vom Schiff aus gesehen, aber ich freue mich trotzdem sehr, dass ich hier sogar noch einen Abend verbringen kann«, sagte Natty, als der Aperitif, Sekt mit Sanddornsirup, serviert wurde. Sie erhob ihr Glas. »Danke, Hannes, für diese tolle Idee! Danke, Schwesterchen, für deine Gastfreundschaft im Allgemeinen und die Kreidepackung imSpeziellen.« Sie kicherte, als hätte sie schon drei von diesen Getränken intus. »Es war eine wunderschöne Woche, und ich würde am liebsten hierbleiben. Ich will nicht zurück nach Bayern!« Ihr Blick war herzzerreißend, man konnte förmlich sehen, wie sie die Ohren hängen ließ.
    »Du kommst doch bestimmt mal wieder«, tröstete Hannes. »Ich finde, darauf trinken wir.«
    Auch Deike erhob ihr Glas. »Sehr gut, da bin ich dabei.«
    Nach dem einen Sekt stieg sie sofort auf Wasser um. Sie wollte auf keinen Fall noch einmal abstürzen, wenn sie mit Hannes unterwegs war. Außerdem musste sie früh aus den Federn kommen. Nattys Zug ging schon um halb neun. An Ausschlafen war also nicht zu denken, wenn sie Frühstück machen und Proviant herrichten wollte.
    Das Buffet war ausgezeichnet. Nicht nur Fleisch und Fisch kamen auf den Grill, sondern auch phantasievoll zusammengestellte Gemüsespieße. Es gab eine reichhaltige Auswahl an Salaten, Suppen und Brot, das mit den verschiedenen Soßen zum Eintunken allein schon gereicht hätte.
    »Ich glaube, ich muss mich noch einmal auf den Weg zum Buffet machen«, ließ Hannes die Schwestern wissen. »Das Lamm sah so gut aus, das muss ich unbedingt probieren.« Er wollte gerade seinen Stuhl zurückschieben, um aufzustehen, als mit einem lauten Rauschen plötzlich Wasser vom Zeltdach schoss und ihn voll erwischte. Die anderen Gäste, die mit ihnen an dem langen Tisch saßen, erstarrten kurz in der Bewegung und sahen ihn an. Von irgendwoher kam ein Kellner gelaufen, der sich schon auf halbem Weg hundertmal entschuldigte. Hannes stand unbeweglich da. Ganz langsam zogen sich seine Lippen zu einem breiten Grinsen auseinander, während er im Zeitlupentempo den Kopf neigte, an sich heruntersahund sich dann über den klatschnassen Nacken fuhr. Dann brach er in schallendes Lachen aus. Deike, die schon geglaubt hatte, sie müsse platzen, stimmte befreit mit ein. Und auch Natty gluckste und kicherte.
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte der Kellner, ein junger Kerl, dessen Wangen vor Verlegenheit glühten, zum wiederholten Mal. »Da muss sich eine Wasserblase auf dem Dach gebildet haben. Ich bringe Ihnen sofort ein Handtuch.« Unbeholfen tänzelte er um Hannes herum. Der schüttelte sich wie ein Hund und strich dann das Haar aus der Stirn.
    »Wie gut, dass mein Teller leer war«, stellte er fest, als er wieder zu Atem gekommen war. »Nicht auszudenken, wenn mein Lamm überschwemmt worden wäre!«
    »Abgesoffenes Lamm an ertränkten Kartoffeln – mal etwas anderes«, feixte Deike.
    Die anderen Gäste kümmerten sich wieder um sich. Diejenigen, die auch am Rand eines Pavillons saßen, beäugten die Dächer skeptisch.

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