Rügensommer
wieder. Er nahm ihr Glas, stellte beide beiseite und zog ihr den Pullover über den Kopf.
»Das ist allerdings sexy«, sagte er, als er das schwarze Spitzenbustier zu sehen bekam. Mit beiden Händen griff er nach ihrer Taille, zog sie zu sich heran und küsste den Ansatz ihrer Brüste. Sie atmete schwer und legte den Kopf in den Nacken. Hannes nahm die Einladung an und fuhr mit den Lippen ihren Hals hinauf. Er biss ihr sanft in die Schulter, während seine Finger den Knopf ihrer Jeans öffneten.
Deike konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal so erregt gewesen war. Sie wusste, dass sie verloren war, dass es kein Zurück mehr gab. Trotzdem nah sie all ihre Kraft und das letzte bisschen Verstand zusammen und hielt seine Hände fest.
»Warte! Ich muss etwas wissen.«
Er zog die Stirn kraus und sah sie fragend an.
»Hast du eine Freundin?«
Es war ihm anzusehen, dass er aus allen Wolken fiel. Ertappt sah er keineswegs aus.
»Nein! Wie kommst du denn jetzt darauf?«
Deike forschte in seinen Augen. Da war kein schlechtes Gewissen, keine Lüge, nur pure Lust. Sie wollte ihm einfach glauben, wollte jetzt auf der Stelle mit ihm schlafen. Das war das Einzige, was zählte.
»Okay.« Mit einer flinken Bewegung zog sie ihm das Hemd über den Kopf.
12.
Am nächsten Morgen schliefen sie noch einmal miteinander. Deike nahm sich fest vor, ihn beim Frühstück auf das Mädchen im Park anzusprechen, traute sich dann aber doch nicht. Irgendwie kam sie sich wie eine Lügnerin und Betrügerin vor, weil sie bisher für sich behalten hatte, dass sie die beiden beobachtet hatte. Stattdessen fragte sie ihn nach seinen Plänen für das Wochenende.
»Ich mache keine Pläne, wenn ich nicht muss. Termine habe ich schließlich schon die ganze Woche über. Was ist mit dir? Hast du Lust auf einen Ausflug?«
Sie befürchtete schon, dass er ihr eine Radtour vorschlagen würde, trotzdem nickte sie begeistert.
»Gut, ich muss noch etwas erledigen und telefonieren. Treffen wir uns in einer Stunde? Es wäre gut, wenn du bequeme Schuhe anziehen würdest.« Sie wollte gestehen, dass sie keine wirklichen Wanderschuhe hatte, aber er sprach schon weiter: »Jedenfalls nicht gerade die roten. Wenn mein Freund Thomas da ist, fahren wir rüber nach Vilm.«
Unter der Dusche schloss sie die Augen und dachte an seinen Mund, seine Hände, seinen Körper. Ihr fiel auch ein, was er über Geschwister und Familie gesagt hatte. Wenn sie so darüber nachdachte … Das Verhältnis zu ihren Eltern war nicht schlecht, es war aber auch alles andere als intensiv. Natty war diejenige, mit der sie am meisten verband. Sie rubbelte die Haare trocken und schlüpfte in eine bequeme Hose und ein knappes Shirt. Was sie Hannes gesagt hatte, brachte es auf den Punkt: Sie hatte als Kind und als Teenager nicht genug Selbstbewusstsein besessen, um ihre tolle Schwester auszuhalten. Sie hatte Minderwertigkeitskomplexe gehabt. Natty hatte ihr nieeinen Mann ausgespannt. Deike hatte es immer prima selbst hinbekommen, Interessenten in die Flucht zu schlagen, weil sie vor lauter Selbstzweifeln störrisch und unentspannt auf alles und jeden reagiert hatte. Genau wie neulich in Binz, als Hannes sich den Spaß gemacht hatte, sie mit der Fontäne nass zu spritzen. Wie blöd hatte sie sich da verhalten! Und zu allem Überfluss hatte sie wieder einmal Natty – zumindest zum Teil – die Schuld gegeben.
Ein schneller Blick auf die Uhr. Sie hatte noch Zeit.
»Meine liebe Deike«, sagte sie laut zu sich selbst. »In deinem Leben warst immer du das Problem, nicht Natty.« Ihre Schwester war einfach nur phantastisch und bewundernswert und wollte immer das Beste für sie. Es wäre großartig, wenn sie nach Rügen ziehen würde. Daran gab es keinen Zweifel mehr. Sie nahm sich vor, ihr genau das in einem langen Brief zu schreiben. Eine Schachtel von der Kreidepackung würde sie auch mitschicken, zur Erinnerung. Außerdem nahm sie sich vor, mehr aus sich zu machen und mehr für sich zu tun. Es mussten ja nicht gleich Dreißig-Kilometer-Radtouren sein oder die Verrenkungen, die Natty jeden Morgen machte. Auf jeden Fall würde sie ihr Leben gewaltig umkrempeln.
Von dem kleinen Hafen in Lauterbach fuhren sie mit einem Motorboot auf das nicht einmal einen Quadratkilometer große Eiland. Nur eine streng begrenzte Personenzahl durfte täglich herkommen, erklärte Hannes ihr.
»Plus Kollegen des wissenschaftlichen Leiters der dortigen Naturschutzakademie«, ergänzte er zwinkernd.
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