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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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worüber sie eigentlich sprachen. Er vermutlich auch nicht. Das bedeutungsschwangere Schweigen zwischen ihnen zog sich in die Länge. Einer von ihnen musste es brechen und die Frage stellen, die gestellt werden musste. Doch sie hatte ihre Lektion gelernt. Sie würde sich zurückhalten.
    Es klopfte an der Tür. Entsetzt nach Luft schnappend, hechtete sie hinter das Ruderboot.
    Jetzt quietschten die Türangeln, und eine Frauenstimme sagte: »Sie haben beschlossen, eine Bootsfahrt bei Mondenschein zu machen.« Es war Mrs Chudderley. »Falls Miss Boyce hier ist, schlage ich vor, dass sie mit mir zurück zum Haus kommt.«
    Auf dem nassen Rasen funkelte eingefangener Regen. Lydias Röcke saugten sich mit Schlamm voll und wurden immer schwerer, was sie dazu zwang, sie vor jedem quatschenden Schritt hoch zu treten. Mrs Chudderley war allem Anschein nach zu wendig, um von so banalen Dingen wie Schmutz oder Schwerkraft in Mitleidenschaft gezogen zu werden, und schwebte vor ihr her, den hübschen Kopf hoch erhoben, ihre Haut in dem kalten Licht glatt wie Porzellan. Gelegentlich warf sie ihr einen nachdenklichen Blick zu und gab ein leises Summen von sich – vielleicht ein Laut amüsierter Neugier, der Lydia die Röte ins Gesicht trieb.
    In der Säulenhalle, wo sie kurz stehen blieben, um ihre Röcke auszuschütteln, sagte Mrs Chudderley: »Nennen Sie mich Elizabeth. Dann nenne ich Sie Lydia, was übrigens ein schöner Name ist.«
    Als sich das Schweigen in die Länge zog, hoben sich die Augenbrauen der Frau erwartungsvoll. Lydia blieb keine andere Wahl, als sich zu räuspern und zu sagen: »Danke.«
    »Gern geschehen. Jetzt, wo wir ungezwungener miteinander umgehen, frage ich Sie: Welche Absichten hegen Sie James gegenüber?«
    Ihre Röcke rutschten ihr aus den kraftlosen Fingern. »Ich … wird diese Frage sonst nicht eher dem Mann gestellt?«
    Elizabeth lachte. »Und ich habe geglaubt, eine Frau von heute vor mir zu haben. Schätzchen, James ist wie ein Bruder für mich. Ich müsste schon blind sein, wenn mir sein Interesse an Ihnen entgehen sollte. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nichts dagegen. Seit dieser traurigen Angelegenheit mit Stella hat er sich nicht mehr für viel interessiert. Bis auf … « Sie zuckte mit den Achseln. »Bis auf seine Fabriken natürlich. Aber das hat auch etwas mit ihr zu tun.«
    Lydia ließ sich von ihrem beiläufigen Ton nicht täuschen. Etwas an ihrem Verhalten – wie sie mit dem Kopf zuckte und ihr verstohlene Seitenblicke zuwarf – verriet sie. Sie wollte darum gebeten werden, ausführlicher zu werden, und Lydia sah keinen Grund, der Versuchung zu widerstehen. »Was meinen Sie damit?«
    »Hat er es Ihnen nicht erzählt?« Elizabeth warf einen Blick über den Rasen. Ein Gästegrüppchen schlängelte sich zum See, umgeben von einer Handvoll Dienern, deren Fackeln sich windende Schatten aufs Gras warfen. »Dann irre ich mich vielleicht doch. Aber das von seiner Schwester wissen Sie doch sicher.«
    »Bruchstückhaft«, sagte Lydia unbehaglich. »Wer tut das nicht?«
    »Nun, seine Fabriken sind für Frauen wie seine Schwester gedacht. Frauen von niedrigerem sozialen Rang natürlich, die in einer schlimmen Situation gefangen sind und nicht die finanziellen Mittel haben, um sich daraus zu befreien. Er verschafft ihnen Arbeit, und ihre Kinder können gegen eine geringe Gebühr einen Hort auf dem Gelände oder die Schule besuchen, die dort betrieben wird. Das gibt ihm immerhin eine Beschäftigung.« Sie lächelte. »Sie wirken verblüfft, Schätzchen. Haben Sie ihn für völlig unbrauchbar gehalten?«
    Sie suchte in ihrem Herzen nach der Antwort. Ich könnte mich mit der Zeit an deine Offenheit gewöhnen. »Nein«, sagte sie langsam. »Trotz größter Anstrengungen seinerseits.«
    »Was Sie nicht sagen«, murmelte Elizabeth.
    Sie traten in die Vorhalle. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, seit sie nach draußen in den Regen gelaufen war. Sie hatte das Haus ganz spontan verlassen, und bei jedem Schritt, den sie jetzt ging, erinnerte sie der Schmerz zwischen ihren Schenkeln daran, dass sie jetzt eine andere war. Ihre Gefühle schwankten heftig zwischen Niedergeschlagenheit, Benommenheit und etwas, das sich merkwürdigerweise wie Hochstimmung anfühlte. War es das, was man Hysterie nannte?
    Wie zum Beweis dafür brach es aus ihr heraus: »Was meinten Sie eben? In welcher Beziehung glauben Sie, sich vielleicht zu irren?«
    Elizabeth war bereits die Treppe hinaufgestiegen. Eine schneeweiße

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