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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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selbst ein. »Ich rate ihr immer, sich an Wein zu halten«, sagte er, während sie sich auf den Weg zum Ausgang begaben. »Aber sie besteht darauf, zu experimentieren. Doch hoffentlich nicht mit deinen Tonika?«
    »Gott, nein. Ihr gebe ich die nicht. Du solltest mich besser kennen.«
    »Na schön. Hast du einen Wagen?«
    »Ich reise in vollem Staat. Ein Brougham wäre schneller.«
    »Ich bin mit einer Droschke gekommen.«
    »Eine Droschke? In diese Gegend? Herrgott, James, bist du lebensmüde?«
    James antwortete nicht. Wenn er sich selbst nicht klar über die Antwort war, spekulierte er lieber nicht.
    Der Ball der Stromonds war berühmt für seinen Luxus, und dieses Jahr schien keine Ausnahme zu sein. Exotische Treibhausblumen wucherten in allen Ecken und Winkeln. Statt mit Fensterscheiben war der Ballsaal mit einem Sichtschutz aus Farnen und Rosen ausgestattet, sodass die leichte Brise, die durch die Fenster hindurchzog, den Duft der Pflanzen in die Menschenmenge trug. Die großen elektrischen Kronleuchter waren ausgeschaltet. Stattdessen leuchteten in regelmäßigen Abständen französische Lampen an den Wänden und spendeten weiches Kerzenlicht, das auf Juwelen und Seidenstoffen schimmerte. Jene Lampen boten den Stromonds zudem einen Vorwand, ihre zahlreichen Bediensteten zur Schau zu stellen. Prächtig livrierte Diener liefen durch die Gästeschar und schnitten die Lampendochte zurück, bevor sie auch nur andeutungsweise flackern konnten.
    Während Lydia vom Rand der Tanzfläche aus diese Prozedur beobachtete, schwankte sie zwischen Zynismus und Belustigung. Jede Gesellschaft hatte Regeln, welche die angemessene Zurschaustellung von Reichtum vorschrieben. Was England betraf, hatte die neu aufgekommene demokratische Stimmung die feine Gesellschaft gezwungen, subtilere Methoden zu finden, um mit ihrem Vermögen zu protzen. Niemand hatte noch Diener, die als Postillions ritten. Man überlegte es sich gut, bevor man die Kutsche mit dem Familienwappen herausholte. Doch prächtig gekleidete Diener und teure Blumen? So lange sie kostspielig blieben, kamen sie nie aus der Mode.
    Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie Lady Stratton mit Mrs Upton im Schlepptau schnurstracks auf sie zukam. Ein Seufzer durchfuhr sie. Eigentlich hatte sie vorgehabt, sich möglichst unauffällig im Hintergrund zu halten. Doch heute Abend, so kurz nach der offiziellen Bekanntmachung von Anas Verlobung mit Mr Pagett, war jeder, der sie kannte, dazu verpflichtet, auch ihr zu gratulieren. Und ständig gute Miene zum bösen Spiel zu machen, laugte sie aus.
    Ihre Unhöflichkeit bereuend, wandte sie sich zum Ausgang. Von Anas Glück einmal abgesehen, war alles ein Riesenschlamassel. Heute Nachmittag war ein Telegramm von Papa eingetroffen. Er hatte alle seine Arbeiter einzeln befragt, jedoch immer noch keine Ahnung, wie die Fälschung in Mr Hartnetts Lieferung gelangt war. Das Misstrauen, das seine Nachforschungen säten, vergällte allen die Grabung und führte zu Nachlässigkeit und Feindseligkeiten unter den Arbeitern. Daher hielt er es für das Beste, die Ausgrabungsstätte für diese Saison zu schließen und den nächsten Fahrschein nach England zu lösen.
    Nur einen Tag früher hätte sie ihm noch zurücktelegrafiert und ihn gebeten, es sich noch einmal zu überlegen. Natürlich wäre es schön, ihn während der Vorbereitungen für Anas Hochzeit hierzuhaben, aber eine verfrühte Rückkehr zu diesem kritischen Zeitpunkt würde ihn wertvolle Arbeitszeit kosten. Aber jetzt? Heute Morgen hatte Carnelly ihr Hartnetts Frachtgut geliefert. Sie hatte die Lattenkiste in ihrem Wohnzimmer gewaltsam geöffnet und war die Stücke einzeln durchgegangen.
    Fünf gefälschte Artefakte. Fünf von insgesamt sechs.
    Ihr Herz fing wieder an zu pochen, wie schon den ganzen Tag über hin und wieder. Sie trat in die Halle, wo die Gäste, herausgeputzt mit Seidenstoffen und Juwelen, umherschlenderten, um Komplimente und Klatsch auszutauschen. Unten quetschten sich Nachzügler in die Eingangshalle und kämpften um Zutritt zur Garderobe. Sie verspürte ein Stechen in der Schläfe. Sie war müde und unruhig und hätte nichts lieber getan, als früher zu gehen. Doch sie konnte Ana nicht Sophies alleiniger Aufsicht überlassen. Sophie hatte eine grauenhafte Laune. Sie hatte die gefälschte Stele als reinen Zufall abgetan, doch dass noch weitere Fälschungen existierten, hatte sie in Panik versetzt und die wildesten Befürchtungen in ihr ausgelöst. Papa würde womöglich

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