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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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Sohn eins auszuwischen.«
    Sein Lächeln wurde nachdenklich. »Werfen Sie mir den Fehdehandschuh hin, Miss Boyce? Ich nehme ihn mit Freuden auf.«
    Falsch, sehr falsch, dass sie bei diesem Gedanken ein Prickeln durchfuhr. »Nein«, gab sie heftiger zurück, als es vielleicht nötig war. »Ich möchte nur zum Ausdruck bringen, dass … dass diese Streiche von Ihnen das Kindischste sind, das ich mir vorstellen kann.«
    »Dann braucht Ihre Fantasie mehr Anregung, Schätzchen.« Leiser fügte er hinzu: »Und vielleicht bin ich derjenige, der sie ihr verschafft.«
    Sie hegte keinen Zweifel, dass er diese Aufgabe vortrefflich erfüllen würde. Der Gedanke verwirrte sie und sie stieß einen Luftstoß aus, um das Gefühl zu vertreiben. »Vielleicht hole ich mir meine Anregung einfach bei einem Spaziergang im Park.« Damit sank sie in einen tiefen mokanten Knicks und trat hinaus in die Halle.

5
    Wie Musik hat auch Schmerz seinen ganz eigenen Rhythmus. Piano : ein Streifschlag auf den Kiefer. Staccato : Fingerknöchel, die – eins zwei, eins zwei … auf einen muskulösen Bauch treffen. Forte : der Haken, der James an der Nase erwischte, sodass er bluttropfend zurücktaumelte.
    Hände trafen klatschend auf seinen Rücken und stoppten seinen Rückzug. Die Hilfestellung verhinderte, dass er die Kreidemarkierung übertrat. In diesem dunklen, verrauchten Lokal gab es nur wenige Regeln, doch das Übertreten der Kreidemarkierung hätte die sofortige Disqualifizierung zur Folge. Das wollte das Publikum nicht. In diesem Teil der Stadt gab es nichts Besseres, als dabei zuzusehen, wie ein kleiner englischer Lord von einem der Ihren krankenhausreif geschlagen wurde.
    James klangen die Ohren. Er schüttelte den Kopf und hatte das Gefühl, als klapperten seine Zähne. Sein Gegner war ein bärenstarker Ire, direkt aus Cork und berühmt für sein Talent, Männer auf die Bretter zu schicken – und dabei gelegentlich ein Genick zu brechen. Als James verstohlen die Treppe zu der Schänke hinabgestiegen war, hatte der Besitzer ihn beim Arm genommen und beiseitegezogen. »Gehen Sie nach Hause«, hatte er gesagt. »Nicht heute Abend, Mylord. Ich kann nicht zulassen, dass bei mir ein feiner Herr totgeschlagen wird. Ich würde schneller deportiert, als ich spucken kann.«
    Die Aussicht auf einen ebenbürtigen Gegner hatte James aufgeheitert. In den ruhigen, gut ausgestatteten Clubs an der Maiden Lane galten die Regeln von Queensberry. Man hätte genauso gut gegen junge Hunde boxen können. Doch hier im East End, wo das einzige Gesetz lautete, möglichst niemanden umzubringen, hatte er meist einen unfairen Vorteil: Regelmäßige Mahlzeiten und gute medizinische Versorgung von Kindesbeinen an machten ihn der Konkurrenz meist haushoch überlegen. Vom anderen Ende des Saales betrachtet, sah besagter Ire groß und stark aus, als könnte er mit den Händen Steine zerquetschen. Aber es gab schlimmere Wege, zu Tode zu kommen, als durch einen Genickbruch zu sterben. Man konnte langsam vor sich hin vegetieren, in eine Heilanstalt auf dem Lande weggesperrt oder von seinen feudalen Pflichten erstickt werden.
    Ein Fünfer hatte die Bedenken des Schankwirts zerstreut, während die Zuschauermenge johlend ihre Zustimmung kundgetan hatte.
    Inzwischen waren zwei Runden um und es war noch kein Toter zu beklagen. James langweilte sich zunehmend. Der Ire verließ sich zu sehr auf seine Körpergröße. Er hatte kein Tempo, und sein rechter Haken ließ seine Flanke ungeschützt. Vielleicht war er ein Spätzünder? Während der Mann sich von seinen Gefolgsleuten löste, schlug er seine fleischige Faust mit einem vielversprechenden Knall in seine flache Hand. »Nun mal los, Eure Lordschaft«, höhnte er und winkte ihn mit dem Zeigefinger zu sich. »Schmeckt ein bisschen irische Gerechtigkeit.«
    James lächelte und stieß sich von den Händen seiner Helfer ab. Alle Muskeln in seinem Körper glühten. Eine Finte nach links, eine kurze Gerade nach rechts. Eine Pranke erwischte ihn im Bauch; ihm blieb die Luft weg. Das nutzte der Ire aus. Ein Crescendo aus Schmerzen: Unter dem süßen Gehämmer der Fäuste könnten seine Gesichtsknochen brechen. Fortissimo : der Gesang der Agonie in seinem Blut.
    Aber das reichte nicht. Das tat es nie. Der Schmerz war nicht laut genug, denn er hüllte ihn nicht gänzlich ein und brachte die Gedanken nicht zum Schweigen. Das grundlegende Problem blieb offensichtlich, selbst wenn er Blut schluckte. Er konnte hierherkommen und so viel boxen,

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