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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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so.« Er blickte wieder zur Statue und rümpfte die Nase.
    »Wie kindisch Sie sind. Für Sie ist alles nur ein Spiel, nicht wahr?«
    »Natürlich. Wenn ich alles ernst nähme, würde ich wahnsinnig.« Als sie ihn verdutzt ansah – bei dieser erschreckenden Feststellung war sein Ton tatsächlich ernsthaft geworden – , fuhr er fort. »Aber Sie haben recht. Ich betreibe hier sehr seriöse Forschungsarbeit.«
    »Ach ja? Und wie lautet Ihr Thema?«
    »Wurde sie nach einem lebenden Vorbild gehauen oder kann ein menschliches Antlitz Isis’ Gesichtsausdruck gar nicht widergeben?«
    Sie betrachtete Isis genauer. Das war in der Tat eine interessante Frage. Sie konnte sich an kein Werk erinnern, das sich mit dem Thema beschäftigte, ob die alten Ägypter für ihre Kunst menschliche Modelle verwendet hatten. »Nach einem lebenden Vorbild, denke ich«, sagte sie zögernd. »Wenn man es mit dem Mund hinbekommt … « Sie presste die Lippen zu einer geraden Linie zusammen und blickte finster drein. »Etwa so.«
    Mit gespielter Furcht lehnte er sich zurück. »Lieber Himmel! Das ist es! Miss Boyce, wenn Sie bei Ihrer Briefeschreiberin diese Miene aufsetzen, wird die Entschuldigung auf dem Fuße folgen.«
    Sie unterdrückte ein Lachen, indem sie noch ernster dreinblickte. »Und wann bekomme ich eine von Ihnen?«
    »Sie haben recht, ich schulde Ihnen eine. Nun, ich entschuldige mich bei Ihnen, Miss Boyce. Ich hätte Sie ausgiebiger küssen und darauf bestehen sollen, dass Sie mit mir tanzen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Ich habe für dieses Versäumnis keine Erklärung.«
    Jeder Versuch, ihr Erröten zu verbergen, war zwecklos. Sie war rot wie eine Tomate. »Gratuliere, Sir. Soeben haben Sie die Gelegenheit vertan, sich zu rehabilitieren.«
    »Als Bewunderer von Isis hätten Sie das vorher wissen müssen.«
    »Sie sind mit dem ägyptischen Pantheon vertraut?«
    »Ich bin mit Kleopatra vertraut«, sagte er liebenswürdig. »Eine Mazedonierin, die ägyptische Königin sein wollte und sich auf Blutsverwandtschaft mit der Göttin berief, um ihre Herrschaft zu legitimieren. Leider Gottes vergaß sie, was jeder echte Ägypter weiß: dass jede Isis einen Osiris braucht. Und als Antonius des Weges kam, bat sie ihn um einen Gefallen: Wenn er den gehorsamen Gott spielte, würde sie ihn an ihren Gewinnen beteiligen. Aber leider vermasselte Antonius die Chance, wie die meisten Männer, und Kleopatra bezahlte mit Schlangengift dafür. Überlege dir deine Wünsche gut, lautet die Moral der Geschichte – insbesondere, wenn man eine Frau ist, nehme ich an.«
    Ein schrecklicher Verdacht stieg in ihr auf. Das war nicht die laienhafte Version der Geschichte, in der Kleopatra als einfältiges, boshaftes Flittchen dargestellt wurde. So etwas lernte man nicht aus Sarah Bernhardts Darbietungen.
    »Ach, ein schreckliches Gerücht macht die Runde. Ich soll einen akademischen Grad in Altphilologie erworben haben«, beantwortete er ihren Verdacht. Als sie beschämt nach Luft schnappte, fügte er hinzu: »Aber das ist lange her, Schätzchen – und er war allenfalls zweitklassig. Jedenfalls nicht gut genug, um eine Fälschung zu erkennen.«
    Die Fälschungen, ja. Mit hochroten Ohren wandte sie sich wieder dem eigentlichen Thema zu. »Was das betrifft, dachte ich, Sie könnten vielleicht mit mir nach St. Giles kommen. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch«, fuhr sie hastig fort. »Ich versuche nicht … Nun, ich brauche einen Begleiter, und ich dachte, es könnte Sie unterhalten, sonst nichts. Immerhin scheinen Sie eine Vorliebe für eigenartige Vergnügungen zu haben.«
    Er grinste jetzt ungeniert. »Miss Boyce. Bezeichnen Sie sich etwa selbst als eigenartige Vergnügung?«
    Herrjemine, das tat sie wohl. Sie zuckte verlegen mit den Achseln, und plötzlich saßen sie dort und lächelten sich an, als hätte sie einen sehr guten Witz gemacht. Ihr Lächeln wurde breiter. Genau wie seines. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, als sie das höchst eigenartige Bedürfnis zu lachen überkam. Als wüsste er das, brach er selbst in Gelächter aus. Und dann kicherte sie plötzlich. Ich flirte doch nicht etwa? Was für eine seltsame Szene das war! Wie sie dort einträchtig auf einer Bank saßen wie zwei Lohnarbeiter und sich unterhielten, als seien sie – seltsamer Gedanke! – Freunde.
    Unmöglich, natürlich. Das gelang Männern und Frauen nur selten. Doch wie sollte sie sein Verhältnis zu Mrs Chudderley sonst beschreiben? Während ihr Lachen erstarb, senkte

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