Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
Vom Netzwerk:
merkwürdige Aussage! Würde ich Sie nicht besser kennen, würde ich glauben, dass Sie eine sehr schlechte Meinung von sich haben.«
    Er zog kokett eine Augenbraue hoch. »Dann kennen Sie mich also schon sehr gut? Dabei hatte ich gehofft, dass da noch Spielraum wäre, mich besser kennenzulernen.«
    Ihr Magen flatterte auf einmal nervös. Ah, sie war sehr töricht. »Vergessen Sie, dass ich Sie um irgendetwas gebeten habe.«
    »Oh nein. Sie haben mich gefragt, und ich willige mit Freuden ein. Dummheit überzeugt mich nicht, aber für Romantiker hatte ich schon immer eine schreckliche Schwäche. Fahren wir morgen hin?«
    Sie zögerte nur kurz. Um seine Hilfe anzunehmen, brauchte sie seinen Charakter nicht für gut zu befinden. »In Ordnung, morgen um elf Uhr. Wir treffen uns hier.« Sie spielte mit dem Gedanken, ihn mit diesen Worten stehen zu lassen, konnte sich aber nicht bremsen. »Romantiker, Sanburne?« Das war der letzte Begriff, mit dem sie sich selbst beschreiben würde. Vielleicht früher einmal, aber jetzt?
    Als er grinste, wurde ihr klar, dass er nur darauf gewartet hatte. Er hatte gewusst, dass sie der Versuchung nicht widerstehen könnte. »Das ist keine Beleidigung, Schätzchen. Ich bin selbst auch ein Romantiker. Warum sonst hätte ich in die Bibliothek kommen sollen, um Sie zu suchen?«
    Sie stieß ein ungläubiges Lachen aus, um ihm zu zeigen, dass sie ihn nicht ernst nahm. Doch es klang auch verlegen, und als sie sich auf den Weg durch den Saal machte, tanzten Schmetterlinge in ihrem Bauch. Er war doch nicht wirklich hergekommen, um nach ihr zu suchen?
    Wie demütigend, sich eingestehen zu müssen, dass keine Frau in St. Giles eine so ernsthafte Bedrohung für sie darstellte wie sie selbst.

8
    Für die Fahrt nach Seven Dials hatte Sanburne einen Clarence gemietet, eines jener riesigen Fahrzeuge, das kluge Köpfe aufgrund des Lärms ihrer Räder auf dem Steinboden »Brummbär« nannten. Im Inneren roch es nach Schimmel und altem Schweiß. Hin und wieder (vor allem, wenn sie um die Ecke bogen) erhaschte Lydia auch einen plötzlichen Hauch von Dung, woraufhin sie das schmutzige Stroh auf dem Boden mit großem Argwohn betrachtete.
    Sanburne fand ihr Unbehagen amüsant. »Stellen Sie sich vor, Sie wären auf dem Land, Miss Boyce.« Doch wie sie betonte, waren ländliche Gegenden nicht mit Velours ausgestattet, das Flecken unbestimmter Herkunft aufwies. Das amüsierte ihn erneut, worauf er zu einem absurden Gedankenspiel über die angemessene Einrichtung und Ausgestaltung diverser Naturlandschaften ansetzte. Er fesselte sie damit so, dass es ihr, als die Kutsche endlich anhielt, vollkommen einleuchtete, dass ein künstlich angelegter See unbedingt Chintz und Fransenkissen benötigte, während für eine kleine Quelle (ihr Vorschlag, dem er inbrünstig zugestimmt hatte) Rohseide und Nackenrollen vollkommen ausreichten.
    Der Hof war zu eng für die Kutsche, weshalb sie ihn zu Fuß betraten. Rechts und links der Gasse krümmten sich verfallende Backsteinhäuser, deren zerbrochene Fensterscheiben notdürftig mit Lumpen und Zeitungspapier zugestopft waren. Der Wind trug ihnen körperlose Stimmen zu. Ein Baby schrie; ein Mann forderte lauthals seinen Tee; eine Frau mit einer überraschend süßen Sopranstimme übte Tonleitern. Die Schar schmuddeliger Kinder, die im Dreck mit Knochen Astragalspiele machten, schien ihr Erscheinen nicht weiter zu stören, doch als der Inhalt eines Nachttopfs unmittelbar hinter Lydia auf den Boden spritzte und sie hastig einen Satz nach vorne machte, brachen sie in unbändiges Gelächter aus. »Das ist ja entsetzlich«, blaffte sie Sanburne an, als er mit den Kindern lachte. »Haben Sie kein Mitleid mit diesen Menschen?«
    »Unermessliches.«
    »Tun Sie das nicht so leichtfertig ab! Diese Zustände … «
    »Ich bin nicht leichtfertig. Bekanntermaßen bezeichne ich mich sogar gelegentlich als radikal.«
    Diese Behauptung war so absurd, dass jetzt sie lachte. »Ein Radikaler mit eigenen Fabriken?«
    »Nun, Miss Boyce, Sie wären überrascht. Ich bin … «, er hob die Hand und zählte es an seinen Fingern ab, »… für die autonome Selbstverwaltung Irlands, Gewerkschaften gegenüber wohlwollend eingestellt, unzufrieden mit dem Unfug im Sudan, gelangweilt davon, wie wir uns Ägypten aufzwingen. Zugegeben, Indien erscheint mir etwas rätselhaft, und Australien ist zu weit entfernt, um für mich von Interesse zu sein. Aber ich finde, dass Russland in der Kabul-Frage nicht ganz unrecht

Weitere Kostenlose Bücher