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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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erstarb. Noch vor einer Stunde hätte sie ihn nicht verstanden. Doch dann hatte er ihr von seiner Schwester erzählt.
    Sie berührte ihn am Arm. Vielleicht brauchte er sich ihren Respekt gar nicht zu verdienen, um mit ihr befreundet zu sein. Schließlich konnte sie sich nichts Intimeres vorstellen, als jemanden so gut zu kennen, dass seine harschen Worte keine Macht mehr hatten, einen zu verletzen. »Nicht alle Väter sind wie Ihrer, Sanburne.«
    In seinem Kiefer zuckte ein Muskel. »Das hat nichts mit Moreland zu tun. Es ist eine Frage der Fakten und der Logik. Und die einfachste Erklärung deutet auf Ihren Vater hin.«
    Sie musterte ihn eingehend und lächelte. Das könnte eine Lektion für ihn werden, eine, die er dringend benötigte. »Die einfachste Erklärung ist nicht immer die richtige. Aber Sie haben recht – es hat keinen Sinn, sich den Kopf zu zerbrechen, wo wir doch die Fakten selbst prüfen können. Sie glauben, in den Fälschungen befinden sich Diamanten? Dann kommen Sie.« Sie packte ihn am Handgelenk. »Kommen Sie mit mir.«
    »Wohin?«
    »Um meine Naivität zu zerschlagen oder Ihren Zynismus. Was von beidem werden wir dann schon sehen.«
    In den Häusern, die in der gelben Abenddämmerung Wilton Crescent säumten, herrschte Grabesstille. Alle Türen an der Straße waren verschlossen, sie wirkten wie strenge grüne Münder unter den Augenpaaren aus Gaslampen. Wie Feenlichter im Moor, die Wanderer in den Sumpf lockten, führten diese Lampen in die Irre. Sie legten nahe, dass man nur den Türklopfer in die Hand zu nehmen brauchte, um zum Tee hineingebeten zu werden. Natürlich wusste Lydia es besser. Die wenigen Einladungen, die sie bekam, wurden aus reiner Rücksichtnahme auf George und Sophie auch auf sie ausgeweitet, immer unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass sie unauffällig dabeisitzen würde. Deshalb ging sie ein großes Risiko ein, als sie Sanburne mit zu sich nach Hause nahm. Aber für Freunde nahm man eben Risiken auf sich.
    In der Vorhalle erschreckte sie den Butler mit einer Bitte. »Ich brauche einen Hammer, Trenton. Und lassen Sie die Lattenkiste aus meinem Ankleidezimmer in den Garten bringen.«
    Sie führte Sanburne durch die Halle und durch die Glastüren nach draußen auf die kleine Terrasse. Ihr Magen hüpfte nur wegen ihm – mit den Lügen dieser Frau hatte das nichts zu tun. Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie nichts davon wussten ? Es war ein makaberer Zufall, dass Sophie vor vier Jahren in etwa dasselbe zu ihr gesagt hatte, nachdem George den Salon verlassen hatte und Sophie ihre Schwester weinend vorgefunden hatte. Das war naiv und dumm von ihr gewesen. Aber ihrem Vater zu vertrauen, war gar nicht dumm.
    »Sie müssen das nicht tun«, sagte Sanburne.
    Doch, ich muss. Ein unbehagliches Gefühl überkam sie. Sie tat das für Sanburne. Oder etwa nicht? Sie wich seinem Blick aus. Der Himmel hatte die Farbe eines schmutzigen gelben Hundes, hier und da verwischt von langen, dünnen Wolken, die wie Schlieren aus Schlamm aussahen: der Sonnenuntergang, betrachtet durch einen Schleier aus schwarzem Rauch. In dem sonderbaren Licht wirkte der Garten wie künstlich erleuchtet. Die Verlassenheit der Steinbänke und des Kieswegs stach merkwürdig ins Auge, wie Requisiten auf einer Bühne, die in Kürze die Schauspieler betreten würden.
    Ein Diener trat mit der mit Leinen abgedeckten Lattenkiste heraus und Trenton folgte ihm mit einem Hammer in der Hand. Sie schickte die beiden zurück ins Haus, dann kniete sie sich hin, um die Stele daraus zu entnehmen. Sie legte sie vorsichtig auf den Boden und klopfte mit dem Fingernagel auf die raue Kante. »Beachten Sie, dass die Oberfläche des Steins wie aus einem Guss ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie dort irgendetwas hätte hineingesteckt werden können.«
    Sanburne hockte sich neben sie. »Es scheint unwahrscheinlich.« Und dann sagte er noch einmal: »Sie müssen das nicht tun. Nicht mir zuliebe.«
    Sein betont neutraler Ton verriet ihn ungewollt. Er hatte keinerlei Zweifel. Er glaubte Polly Marshall. »Sie glauben, für Vertrauen braucht man Beweise«, sagte sie. »Dass man es sich erst verdienen muss. Deshalb werde ich für Sie den Beweis erbringen.«
    Seine hellen Augen sahen in ihre. »Ist es denn so wichtig für Sie, mein Vertrauen zu besitzen?«
    Ihr Herz setzte einen Schlag aus. »Wenn wir Freunde sein wollen«, sagte sie entschlossen, »ist Vertrauen die Voraussetzung.«
    Er lächelte leise. »Dann hämmern Sie

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