Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
Vestibül, wandte sich nach rechts und raffte ihre Röcke hoch, um in die Halle zu laufen, wo die Haupttreppe begann.
Sie hatte bereits das Geländer umfasst, als jemand sie am Handgelenk packte. Ein Fingernagel kratzte über ihren Fingerknöchel. »Hab dich«, rief Ensley und riss sie herum, um seinen Mund auf ihren zu drücken.
Sie stieß ihn so heftig weg, dass er von der Treppe stolperte und in einem Mondstrahl landete, der durchs Fenster hoch oben über der Eingangstür fiel. »Verdammt!« Er rappelte sich auf die Knie hoch. »Sophie, was zum Teufel … «
»Lydia«, entgegnete sie eisig. » Ihre Schwester. «
Er gab einen angeekelten Laut von sich, als hätte er etwas Verdorbenes heruntergeschluckt. »Oh Gott«, murmelte er. »Ich habe Sie für Sophie gehalten.«
Das hätte sie eigentlich nicht treffen sollen. »Die eine verheiratete Frau ist!«
Seine mürrische Miene verwandelte sich in ein hässliches Lächeln. »Verbittert, wie?« Er stand auf. »Was suchen Sie überhaupt hier an der Treppe? Im Gewächshaus wären Sie sicher gewesen.« Als er auf sie zutrat, fiel ihr sein taumelnder Gang auf. Die Gentlemen mussten sich eine Menge Portwein genehmigt haben, als sie sich nach dem Abendessen zurückgezogen hatten. »Man könnte meinen, dass Sie gefangen werden wollten«, fuhr er fort. »Sie arme, vertrocknete kleine … «
»So klein bin ich gar nicht«, entgegnete sie. »Und ich würde lieber einen Frosch küssen. Jetzt lassen Sie das, sonst tut es Ihnen morgen leid.«
Er trat noch einen Schritt näher. Was für eine verschlagene, selbstgefällige Made er doch war! Sie würde ihn ohrfeigen müssen.
Ein grelles Licht ließ sie beide zusammenzucken. Synchron wandten sie sich zum Fenster. Durch die Wände drang ein schwaches Donnergrollen.
Der Blitz schien ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Er raufte sich die Haare, murmelte etwas Gotteslästerliches und machte auf dem Absatz kehrt.
Sie stand stocksteif in der Dunkelheit und lauschte den sich rasch entfernenden Schritten. Vertrocknet, ja? Erst heute morgen hatte sie sich prüfend im Spiegel betrachtet. Vielleicht hatte sie Fältchen um die Augen, die vor vier Jahren noch nicht da gewesen waren. Sie war zwar keine Debütantin mehr, aber alt war sie auch noch nicht. Obwohl … Es war schon so, dass die meisten Frauen mit sechsundzwanzig bereits zwei Kinder hatten und das nächste schon unterwegs war. Das war ihr nicht vorherbestimmt. Na und? Sie hatte Wichtigeres zu tun als sich für sich selbst zu schämen.
Trotzdem. Das Geräusch, das er von sich gegeben hatte, als ihm klar wurde, wer sie war – es war fast ein Würgen gewesen. Er war ein Flegel, eine Schlange. Es hätte sie nicht verletzen sollen. Sie war schon von weit attraktiveren Männern geküsst worden als von ihm. Und Sanburne schien es gefallen zu haben. Denk nicht an ihn, ermahnte sie sich selbst.
Mr Ensley hatte sie mit Sophie angesprochen. Sophie, was zum Teufel? Wieso hatte es ihn überrascht, dass ihre Schwester seine Aufmerksamkeiten zurückwies? Warum fühlte er sich dazu berechtigt, sie mit ihrem Vornamen anzusprechen? Es war fast so, als … hätten sie sich dort im Dunkeln verabredet.
Nein. Sie musste sich irren. So etwas würde Sophie niemals tun.
Doch die Möglichkeit, durch die Halle zu laufen und vom Gegenteil überzeugt zu werden … Sie hätte es nicht ertragen. Die Scheinheiligkeit würde sie in Rage bringen. Zuerst direkt vor ihrer Nase um George buhlen und dann mit Mr Ensley tändeln?
»Ich habe es satt«, murmelte sie. Satt, Sophies Aufpasserin zu spielen. Soll sie doch ihre eigenen Fehler begehen. Und auch dafür bezahlen. Wahre Schönheit kommt von innen. Aber äußere Schönheit ist sehr von Vorteil. Sollte Sophie diese Hypothese doch einmal prüfen.
Wieder grollte der Donner. Sie fand sich an der Eingangstür wieder. Sie zog sie auf, um in den plötzlichen Regenschwall hinauszusehen. Als Kind war sie bei dem Wetter gerne nach draußen gegangen, um sich klatschnass regnen zu lassen und von den Elementen umtost zu werden. »Meine kleine Bacchantin«, hatte Papa sie deshalb genannt. Sophie hingegen fürchtete sich, wenn es blitzte. Sie hatte sich unter Mamas Röcken versteckt, ohne je zu sehen, wie schön das Naturschauspiel war. Sophie wäre niemals nach St. Giles gefahren, selbst wenn Papas Leben davon abgehangen hätte. Sie mochte schöne Dinge und schöne Menschen und schickte ihre Untergebenen, wenn es unangenehme Dinge zu erledigen gab. Ich kann einfach nicht
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