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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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zu Sitzung, am Ende auch noch zum Zug. Und plötzlich sind sie erschöpft – ausgebrannt. Aber nicht, weil sie zu viel Arbeit haben – denn das hat Bruder Pius, Ihr Gärtner, auch –, sondern weil sie merken, dass sie die Freiheit verloren haben. Es wird ihnen bewusst, dass sie sich in einem fremden System drehen. Und dann klinken sie sich aus.
    Ich werde mich nun ebenfalls ausklinken.
    Apropos Judith: Sie dürfte in spätestens zwei Tagen aus der Haft entlassen werden. Das wird Sie bestimmt freuen. Sie haben ja immer an ihre Unschuld geglaubt.
    Weitere Untersuchungen wird es nicht geben.
    So long – Dr. Watson!
    Herzlich
    Sherlock Holmes
    Nachdem er die Notiz verfasst und sie einmal kritisch durchgelesen hatte, ging er in sein Zimmer. Der Raum war leer. Auf dem frischgemachten Bett lagen zusammengefaltet seine Kleider. Eschenbach packte sie in die Reisetasche. Er ging zum Tisch vorne beim Fenster und musste grinsen.
    Sein Wohnungsschlüssel lag dort, ein frischgewaschenes Stofftaschentuch und eine Schachtel Brissagos. Daneben fand er einen Zettel:
    Mein lieber Bruder!
    Nachdem ich von Ernests Tod erfahren habe, oblag mir die Pflicht, noch einiges regeln zu müssen. Ich bin für eine Woche weggefahren.
    Vorher habe ich Ihre Kleider aus der Reinigung geholt. Offenbar befanden sich darin einige Ihrer Privatsachen (Schlüssel etc.). Ich habe Ihnen alles hingelegt.
    Judith wird vermutlich in zwei Tagen entlassen. Das hat mir Ihr Kollege Jagmetti gesagt.
    Es ist unser großer Wunsch (auch von Ernest), dass Sie bei der Urnenbestattung dabei sind. Ich werde mich diesbezüglich noch bei Ihnen melden.
    Möge Gott Sie beschützen,
    Vale
    John
    In den folgenden Tagen versuchte Eschenbach in sein altes Leben zurückzufinden. Er sprach kurz mit Hösli, der ihm der Form halber seinen alten Job, die Leitung der Kripo, anbot. Und er erreichte Corina, endlich:
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du einen Unfall hattest … Warum muss ich das immer von anderen erfahren?«
    »Wer hat es dir denn erzählt?«
    »Geht es dir wieder gut?«
    »War es Rosa?«
    »Hast du noch Schmerzen?«
    »Claudio?«
    »Nein.«
    »Aber es war ein Mann, oder?«
    »Viel wichtiger ist doch, dass es dir wieder bessergeht … Und es tut mir leid, wenn ich etwas unwirsch gewesen bin. Ich konnte ja nicht wissen, dass du …«
    »Und der hieß nicht zufälligerweise John?«
    »Ich sage gar nichts mehr.«
    »Aha!«
    Es musste John gewesen sein – natürlich! Denn was Corinas Nummer betraf, so hatte der Bruder sie bestimmt auf seinem, Eschenbachs, Handy gefunden. Corina hörte sich plötzlich ganz anders an. Vermutlich hatte der Bruder bemerkt, dass sie sich gestritten hatten, und um etwas Verständnis für ihn geworben.
    »Wann kommt ihr zurück?«
    »Kathrin hat heute ihren letzten Schultag. Morgen ist Abschlussfest. Ich habe für nächste Woche einen Flug gebucht. Donnerstag.«
    »Ich freue mich.«
    »Ehrlich?«
    Und so weiter …
    Eschenbach füllte bei sich zu Hause den Kühlschrank und fuhr zur Gärtnerei Bacher nach Langnau am Albis. Er fand eine neue Föhre und einen hübschen, kleinen Oleander. Dem Ahorn wollte er noch eine Chance geben.
    Als er die neuen Pflanzen bei sich auf der Terrasse eingetopft hatte und alles wieder einigermaßen anständig hergerichtet war, lud er Gregor und Christian zu einem Grillabend ein. Christian entschuldigte sich mindestens drei Mal, dass er Eschenbach zum Job bei Duprey geraten hatte. Mit seiner Einschätzung habe er ja gründlich danebengelegen. Eschenbach winkte ab. Weil es äußerst selten war, dass sich der Anwalt überhaupt für etwas entschuldigte, ließ er die privaten Details aus Christians Dusche unerwähnt. Christian war Junggeselle, sollte er doch tun, wozu er Lust hatte.
    Den Tag darauf verbrachte er mit Lenz und Rosa in der Mühle.
    »Ist es wahr, dass Sie zur Kripo zurückgehen?«, fragte Rosa.
    »Wir werden sehen«, sagte Eschenbach. Er sah seine Sekretärin fragend an. »Sie kämen doch auch mit, oder?«
    Rosa nickte sofort, und auch Lenz neben ihr, nach einem kurzen Seufzer, nickte.
    Eschenbach wurde das Gefühl nicht los, dass sich hinter seinem Rücken alle miteinander austauschten.
    Am nächsten Morgen schlief der Kommissar bis halb zehn. Und weil um diese Zeit bereits die ersten Sonnenstrahlen auf seine Terrasse fielen, frühstückte er im Freien. Danach machte er sich auf den Weg ins Präsidium.
    »Du kommst also doch zurück!« Jagmetti sprang von seinem Bürostuhl auf, als er

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