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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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den Wetterbericht an. Am Donnerstag, dem 25. Juli 1940, hat es in der Innerschweiz geregnet, und zwar gehörig. Wie auch immer … Es ist und bleibt ein Mythos. Aber nach der Aufarbeitung der späteren Befehle müssen wir annehmen, dass an diesem notabene regnerischen Tag beschlossen wurde, im Kriegsfall das gesamte Mittelland beinahe kampflos dem Gegner zu überlassen. Eine strategische Maßnahme, die in einem weiteren Schritt dazu führen würde, dass man das Gros der Kampftruppen in die Alpen schickte, um Steine zu verteidigen.«
    »Sie glauben nicht an die Wehrtüchtigkeit unseres Landes?«
    »Ach, hören Sie auf!« Walther winkte ab. »Das hat man das Volk damals glauben lassen. Eine geschickte Propaganda, damit niemand die Nerven verlor. Aber der wirkliche Grund, dass wir nicht angegriffen wurden, war ein ganz anderer.«
    »Und der wäre?«
    »Wir machten weiter mit Hitler Geschäfte. Erst als sich das Blatt gewendet hatte, lieferten wir an die Alliierten. Und das war auch vernünftig so. Geben, um behalten zu dürfen …« Walther drückte die Zigarette aus. »Guisan war ein großer, stattlicher Mann, so wie es sich für einen General gehört. Aber er hat sich hineinversetzt in die Position des kleinen Jungen mit dem großen Portemonnaie und der Brille.«
    Die Frau, die Judith am Tor empfangen hatte, erschien. Sie trug ein Tablett mit weißem Porzellangeschirr, das sie auf einen kleinen Marmorhocker stellte.
    »Die Herren sind gleich da«, sagte sie zu Walther.
    Walther nickte. »Das macht nichts. Ich unterhalte mich gerade so prächtig mit dieser Dame hier. Und etwas Zeit für einen Tee sollten wir uns schon noch nehmen.«
    Judith beschlich ein ungutes Gefühl. Von welchen Männern war die Rede?
    »Keine Sorge«, sagte Walther.
    Judith sah zu, wie die Frau den Raum wieder verließ.
    »Ich fertige diesen Tee übrigens selbst an. Er wird aus den Blüten des weißen Holunders gewonnen.«
    Nachdem beide einen Schluck getrunken hatten, sah Walther kurz auf die Uhr und meinte:
    »Die Geschichte wiederholt sich, das war schon immer so. Aber im Gegensatz zu früher finden die Auseinandersetzungen immer weniger auf dem Feld statt. Es treten keine Panzer- und Infanterieregimenter mehr gegeneinander an.«
    »Sondern?«
    »Der moderne Krieg findet auf den Finanzplätzen statt. Dabei kommt der Währungspolitik die Bedeutung der Luftwaffe zu, während Zins- und Fiskalpolitik in gewisser Weise die Marine- und Bodentruppen bilden. Über Importzölle werden Landesgrenzen geschlossen und mit Handelsabkommen und -embargos Allianzen geschmiedet. Natürlich ist alles viel komplexer. Aber die Absichten sind dieselben geblieben. Es geht um Hoheiten, um Produktions- und Standortvorteile. Es geht um gefräßige Mäuler, die gestopft werden müssen – gerade was China betrifft. Und es geht um die Erhaltung der eigenen Kultur und Religion, ebenso wie um den Fortbestand des eigenen Volkes.
    Und den Generälen, die diese Art von Krieg führen, ist klargeworden: Sie müssen keine Kuh besitzen, wenn sie Milch trinken wollen.«
    Judith dachte nach. Das Gespräch hatte einen seltsamen Verlauf genommen. Nun musste sie es zurück auf die Banque Duprey führen. »Zehn Milliarden sind kein Pappenstiel«, hakte sie ein. »Wohin sind diese Gelder geflossen?«
    Walther lächelte. »Sie sind eine hartnäckige junge Frau. Es geht Ihnen um die Bank, nicht wahr? Sie glauben, dass sie Ihnen zukommt, so ist es doch. Wir wissen beide, wie der Fall liegt: Sie sind Jakob Banz’ Tochter … die einzige Erbin. Und jetzt wollen Sie nicht zusehen, wie es mit dem traditionsreichen Geldhaus den Bach runtergeht. So ist es doch, oder!«
    In diesem Moment wurde Judith bewusst, dass ihr Vorhaben aussichtslos und sie in eine Falle getappt war.
    »Und mit dem Mord an Jakob wollten Sie das Ganze stoppen.«
    »Nein, so war es nicht!«
    Jeremy Walther erhob sich. »Sie hätten auf Ernest hören und mit uns kooperieren sollen. Aber Sie wollten ja nicht. Jetzt ist es zu spät.«
    »Es gibt ein Testament«, sagt Judith.
    »Das ist richtig. Aber freuen Sie sich nicht zu früh!«
    Ein Gong erklang.
    Seufzend ging Walther zum Fenster, blickte gegen den Himmel und meinte: »Es wird Regen geben, ein Gewitter. Sie können es daran erkennen, wie der See seine Farbe ändert.«
    Judith schwieg. Sie wusste, dass sie Walther ausgeliefert war. Es hatte keinen Sinn, irgendwohin zu flüchten. Nicht in diesem Haus.
    »In Krisenzeiten muss man wissen, was man behalten will«, sagte

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