Rütlischwur
Walther. Er hatte mit dem Fuß einen Knopf betätigt und sah nun zu, wie sich die riesige Fensterfront langsam öffnete.
»Die Vermögen ausländischer Kunden in der Schweiz belaufen sich auf knapp tausend Milliarden Franken. Das sind rund zehnmal weniger als die Staatsschulden der Vereinigten Staaten von Amerika. Aber es ist immerhin noch ein stolzer Betrag.
Man wird uns Scheibe für Scheibe davon abschneiden. Der Beschluss über die Abgeltungssteuer mit Deutschland ist erst der Anfang. Frankreich wird kommen, Spanien, Italien … Und es ist so zuverlässig wie Federers Rückhand, dass auch den Amerikanern wieder etwas Neues einfallen wird. Ruhe wird erst einkehren, wenn der ganze Kuchen vom Tisch ist.«
Judith sah, wie sich auf dem gekräuselten Wasser zwei Polizeiboote näherten.
»Aber so weit wird es nicht kommen«, fuhr Walther fort. »Es gibt Menschen, die uns vertrauen und die uns für unsere Verschwiegenheit und Integrität schätzen.«
Der große Mann kam langsam auf Judith zu:
»Was wollen Sie mit einer Bank? Ständig werden Ihnen neue Richtlinien aufs Auge gedrückt: Auflagen von irgendwelchen Bankenkommissionen, vom Fed oder von sonst einer Erbsenzähler-Institution. Sie zahlen Millionen für Computersysteme und Apparate, die alles nur schwerfällig machen und verkomplizieren. Es ist bald wie bei den Katholiken: Alles, was Spaß macht, ist verboten.«
Kapitel 22
Verschlungene Wege der Information
D ie Art, wie Eschenbach von der Verhaftung Judith Bills erfuhr, ist bemerkenswert. Sie zeigt, wie das Prinzip des Buschtelefons auch im Zeitalter modernster Kommunikationstechnologie noch immer seinen Dienst tut und dass die Übertragung von Information im Laufe der Millionen von Jahren menschlicher Evolution nichts von ihrem Charme verloren hat.
Der entscheidende Anruf kam um exakt 12 : 32.36.
Das neue Softwaresystem bei der Kantonspolizei Zürich registrierte den Anruf sekundengenau. Die Nummer des Anrufers war die von Jeremy Walther, die Leitung, auf der angerufen wurde, jene von Exkommissar Eschenbach.
Das Systema Automatica Porcamiseria , wie es Rosa nannte, wusste genau Bescheid und mehr noch: Weil Jeremy Walther seit Jahren beratend für die Fachstelle Sicherheit der kantonalen Polizeibehörde tätig war, fanden unsichtbare Schaltkreise sofort den Link zu folgendem Eintrag:
Jeremy Walther, Sicherheitsexperte. Inhaber der Firma KABIX mit über Tausend Angestellten. Stehlen die komplexesten Schließsysteme her für Schlösser weltweit. Padentinhaber wichtiger Padente. Von der Bilanz bei den 100 reichsten Schweizer aufgelistet. Kontakt seit 1982 zu Hauptmann Eschenbach.
Ebenso waren diverse Adressen und Telefonnummern vermerkt sowie Angaben zu Zivilstand, Haarfarbe und der ungefähren Körpergröße Walthers. Alles stand da, genau so, wie es eine der zwölf von Max Hösli temporär eingestellten Datatypistinnen eingegeben hatte.
Weil alle Anrufe, die seit Eschenbachs Abwesenheit auf dessen Leitung eingingen, direkt zu Claudio Jagmetti weitergeleitet wurden, reagierte der Telefonapparat des Bündners sofort: Es läutete – aufgrund der digitalen Technologie für Datenübertragung sogar ohne zeitliche Verzögerung.
So weit, so gut.
Exakt zu diesem Zeitpunkt befand sich Claudio Jagmetti beim Mittagessen. Er saß zusammen mit einer höchst attraktiven Kollegin von der Stadtpolizei im Café Wühre, einem hübschen Restaurant an der Limmat, unter einem kleinen Sonnenschirm,
Aus lauter Vorfreude auf dieses Treffen (und aufgrund der damit zusammenhängenden leichten Nervosität) hatte der Polizist vergessen, die amtliche Nummer auf sein Handy umzuprogrammieren. Möglicherweise war er noch daran gewöhnt, dass es bei der Kantonspolizei Telefonistinnen gab, krisenerprobte Damen, die in einem solchen Fall einspringen würden. So wie früher. Aber diese gab es nicht mehr, weil die Stellenprozente für Telefonistinnen nun alle für die Datatypistinnen draufgingen.
Der Telefonapparat auf Jagmettis Pult läutete also ins Leere, bis nach fünf Impulsen das Band einsetzte und Jeremy Walthers tiefer Bass aus den Lautsprecherboxen dröhnte.
»Nimmt in diesem Scheißladen eigentlich niemand das Telefon ab …«
Jacqueline Bindler, seit drei Tagen Claudios Assistentin, zuckte zusammen, als sie die wütende Stimme hörte. Mit Schrecken wurde ihr bewusst, dass sie ganz allein war, allein im neu bezogenen Büro (mit insgesamt acht Arbeitsplätzen).
Kein Wunder! Draußen schien die Sonne bei
Weitere Kostenlose Bücher