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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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durch Schmuck, Gold oder andere Wertgegenstände vorgenommen.«
    »Das hat Ihnen dieser Ernest Bill beigebracht?«
    John nickte. »Das Büro eines Hawala-Händlers befindet sich häufig innerhalb eines regulären Geschäftes. Zum Beispiel in einem Einzelhandelsgeschäft, einem Import-Export-Unternehmen oder einer religiösen oder sozialen Einrichtung. Es ist aber auch möglich, die Geschäfte in einem Café oder auf der Parkbank abzuwickeln. Es steht dazu auch einiges im Internet.«
    »Im Internet?«
    »Manchmal habe ich den Eindruck, Sie unterschätzen mich, Herr Kommissar.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?« Eschenbach senkte den Blick und betrachtete ein weiteres Mal die Zeichnung. »Ich frage mich nur, weshalb sich gerade Judith so brennend dafür interessiert.«
    Der Bruder hob die Schultern. »Sie wollte wissen, was passiert, wenn ein Hawaladar betrügt oder sich mit kriminellen Organisationen einlässt.«
    »Das wollte ich Sie auch gerade fragen.«
    »Er wird früher oder später von seinen nationalen und internationalen Kollegen geächtet und meist mit Berufsverbot belegt.«
    »Oder man bringt ihn einfach um.«
    Der Bruder lächelte. »Da merkt man wieder, dass Sie Polizist sind. Aber Sie müssen bedenken, dass die Leute mit den Transaktionen Geld verdienen. Provisionen, je nach Höhe und Art des Geschäftes. Da reicht es in der Regel, dass einer keine Aufträge mehr bekommt.«
    »Wie bei eBay also.«
    »Mehr als das«, bemerkte John. »Der Bestrafte verliert nicht nur seine Einlage, sein Geschäft … Er verliert auch die Reputation in seiner religiösen oder ethnischen Gemeinschaft.«
    »Seiner religiösen Gemein…«
    »Das ist das Allerschlimmste überhaupt!«
    »John, Sie sind ein hoffnungsloser Idealist.«

Kapitel 21
    Keine Farben in diesem Haus
    J udith folgte der Frau, die in kleinen Schritten über den knirschenden Kies eilte.
    Das Haus, auf das sie zusteuerten, lag direkt am Ufer des Sees. Es war ein riesiger, heller Kubus, der alabasterfarben in der Mittagssonne glänzte. Es schien ihr, als näherten sie sich einem überdimensionalen Grabstein, der weder Fenster noch Türen hatte.
    Als sie noch zwei Schritte von der Hauswand entfernt waren, öffnete sich in der Mauer ein Spalt.
    Sie traten in eine mächtige Eingangshalle aus hell schimmerndem Marmor. Durch ein großes Oberlicht fiel die Sonne ein und verbreitete ein gleißendes Licht. Weil es weder Teppiche noch Bilder gab und Judith auch sonst kein einziges Möbelstück entdecken konnte, verloren sich die Dimensionen in einem grell leuchtenden Weiß.
    »Hier warten wir«, sagte die Frau, senkte den Blick und schwieg, so wie sie während des ganzen Weges schon geschwiegen hatte.
    Judith sah sich um. Aber weil es überhaupt nichts gab, worauf sie ihr Augenmerk hätte richten können, glitt auch ihr Blick zu Boden, und ein plötzliches Gefühl der Demut erfasste sie.
    Ein Moment verging, dann erschien wie aus dem Nichts ein Mann, so als träte er direkt aus der Wand. Er war ganz in Schwarz gekleidet und von schlanker Statur. Judith schätzte ihn auf Mitte fünfzig.
    Verblüfft trat sie einen Schritt zurück.
    Aber der Mann lächelte: »Es ist der Stein«, sagte er leise, in einem tiefen, sonoren Bass. »Laaser Marmor, Sie haben ihn bestimmt schon irgendwo gesehen. Die meisten bedeutenden Bauwerke zwischen 1850 und 1910 sind aus ihm gefertigt. Die Königin-Victoria-Statue vor dem Buckingham Palace zum Beispiel. Und die Soldatengräber der Alliierten.«
    Der Mann kam auf Judith zu und streckte seine Hand aus.
    »Ich bin Jeremy Walther.«
    Judith hob ihren Blick. Walther überragte sie um mindestens zwei Köpfe; ein Riese mit einem hellen Bart und langem, angegrautem Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Sie sah ihm direkt in die dunklen Augen.
    »Ich bin Judith Bill.« Sie fühlte den kräftigen Druck seiner warmen, großen Hand.
    »Das ganze Haus ist aus Laaser Marmor«, fuhr er fort. »Ich habe die meisten Steinbrüche, in denen er noch geschlagen wird, gekauft. Ich mag seinen bleichen Körper, den Geruch … Für ein Haus wie dieses, in dem es keine einzige Türe gibt, ist er der ideale Baustoff.«
    Walther bat Judith, ihm zu folgen.
    Sie verließen die Halle durch eine schmale Öffnung in der Wand, die Judith erst jetzt entdeckte. Nun war ihr auch klargeworden, weshalb Walther vorher so plötzlich vor ihr gestanden hatte.
    Die Räume und Flure, die sie durchschritten, waren auf dieselbe geheimnisvolle Weise durch Lücken und Zwischenräume

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