Rütlischwur
Aussprache.‹«
»Sag mir wenigstens, in welchem Zusammenhang das steht«, fragte Eschenbach.
»Es ist aus einem Brief von Oberst Ernest A. Billadier an den Bundesrat, in dem er im März 1961 das Konzept des Buches vorgelegt und dessen Notwendigkeit begründet hatte.«
»Könnte es sein, dass unser Jeremias ein Oberst ist?«
Lenz nickte nur. Seine Pfeife war erkaltet, und er war gerade damit beschäftigt, sie wieder anzuzünden. Als er damit fertig war, sagte er bedächtig: »Und die vier Verwaltungsräte bei Duprey sind die vier großen Propheten.«
In den folgenden zwei Stunden berieten sich die beiden Freunde über das weitere Vorgehen und trugen Informationen zusammen, die das bewegte Leben des Obersten betrafen.
Billadier war nicht nur Spiritus Rector des Zivilverteidigungsbüchleins – er war bis Ende der siebziger Jahre der führende Schweizer Geheimdienstler. Als Oberst der Untergruppe Nachrichten und Abwehr des Eidgenössischen Militärdepartements initiierte er 1976 den Aufbau der zweitausend Mann starken Geheimarmee für den Fall einer Besetzung der Schweiz. Eine Schweizer Résistance also. Er ließ über Tarnfirmen in Irland Hotels und Grundstücke kaufen. Ein irischer Landsitz sollte dabei als Unterschlupf des Bundesrates dienen. Es gab Pläne, die auch die Evakuierung der Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank durch die Swissair vorsahen. Mit dem Spezialdienst D des Bundesnachrichtendienstes pflegte Billadier unter dem Decknamen »Schwarze Hand« einen regen Informationsaustausch.
Nachdem diese Pläne 1979 der Öffentlichkeit bekannt geworden waren, versetzte der damalige Leiter des Eidgenössischen Militärdepartements, Bundesrat Chevallaz, Billadier in den vorzeitigen Ruhestand. Soweit bekannt war, übersiedelte der Oberst auf sein Landgut in der Nähe von Maryborough, Irland.
Als es draußen unter der Laube langsam kühl wurde, räumten Lenz und er die vollgeschriebenen Notizblätter zusammen und gingen nach drinnen.
»Ich werde diesen Obersten besuchen«, sagte Eschenbach halblaut, als er es sich auf dem alten Cordsessel bequem machte.
»Ich weiß«, sagte Lenz und nickte. »Es ist wie bei diesen Sudoku-Rätseln … Die Kästchen sind einfach nicht schön anzusehen, wenn nicht die richtige Zahl drinsteht.«
Typisch Lenz, dachte der Kommissar und lachte. Die Sucht des Alten nach der vollkommenen Information. Dies war auch der Grund, weshalb er mit Lenz in so phantastischer Art harmonierte. Denn ihm, Eschenbach, ging es weniger um Vollkommenheit, es war das Ergebnis, das ihn interessierte. Deshalb mochte der Kommissar lieber Kreuzworträtsel. Am liebsten solche mit einem Lösungswort, zu dem man kam, wenn man die relevanten Felder ausfüllte, ohne das ganze Brimborium drum herum ebenfalls niederschreiben zu müssen.
Aber vielleicht hatte Lenz recht. Vielleicht war im Fall Banz wirklich alles miteinander verbunden.
Im Vergleich zu dem, was sie bisher über Oberst Billadier herausgefunden hatten, war die Suche nach seiner genauen Adresse in Irland ein weitaus schwierigeres Unterfangen.
»John könnte uns da bestimmt helfen«, meinte Eschenbach.
»Mit dem Risiko, dass der ihn vorwarnt?« Lenz schüttelte den Kopf. »Ich übernehme das und buch dir vorsorglich einen Flug für morgen. Dann versuch ich noch herauszufinden, ob Billadier im Moment überhaupt in Irland ist. Abblasen können wir die Sache immer noch.«
Nach fünf Minuten hatte Lenz das Online-Ticket ausgedruckt. »Für den Fall, dass Billadier da ist, werde ich dir die genaue Wegbeschreibung telefonisch mitteilen.«
»Wir gehen essen«, rief Eschenbach aus der Küche. »Rosas Vorrat ist aufgebraucht. Du kennst bestimmt ein gutes Restaurant hier in der Nähe.«
»Ich gehe immer zu Viktor in den Hirslanderhof – der wird dir gefallen. Jedes Menü hat eine Nummer, die musst du ihm sagen. Es muss schnell gehen, und er mag es überhaupt nicht, wenn man irgendwelche Änderungen an den Menüs vornimmt.«
»So, so«, meinte Eschenbach. Vielleicht waren hier in der Nähe des Gerontopsychologischen Zentrums alle ein wenig ballaballa.
* Alkoholfreier Kinderchampagner.
Kapitel 27
Mit dem Alter ist es wie mit dem Geld
A m nächsten Morgen, kurz nach halb elf, landete die Maschine der Swiss auf dem Flughafen Dublin.
Eschenbach hatte nur Handgepäck dabei, denn mehr als eine Nacht wollte er nicht bleiben. Er ging direkt zu den Schaltern der Autovermieter.
»You have to drive carefully on the left side. And don’t
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