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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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behauptet, dass es dort wie in einem Keller ausgesehen habe.«
    »Judith hat damit nichts zu tun«, bemerkte John leise.
    »Jedenfalls haben wir uns zuerst Banz’ Privatvilla angesehen. Dann sind wir zu Duprey gefahren und haben dort gesucht. Der Raum war abgeschlossen … wir mussten die Tür sprengen.«
    Der Wagen stand nun beinahe still auf der Fahrbahn. Claudio ließ die Schultern hängen. »Ich bin dabei gewesen, obwohl man mich bereits vom Fall abgezogen hatte … Sie können sich überhaupt nicht denken, was bei uns intern so abläuft. Also, ich hab so etwas noch nie gesehen. Es ist ein Wunder, dass der noch lebt … Die ganze Zeit, ohne etwas zu essen.«
    »Und trinken?«, fragte John. Unweigerlich kamen ihm die großen Einsiedler in den Sinn, von denen Legenden berichteten, dass sie über lange Zeit nichts gegessen, sich ausschließlich von der Kraft des Geistes ernährt hatten: Bruder Klaus, Paracelsus und natürlich der heilige Meinrad, der Gründer seines Klosters. Aber das waren große Menschheitsführer. Die ließen sich nicht in Tresore einsperren. »Trinken ist viel wichtiger«, wiederholte er.
    »Das ist ja das Wahnsinnige«, sagte Claudio. Er steuerte den Wagen von der Straße weg auf einen kleinen Feldweg. Als sie stillstanden und der Polizist seine Hände vom Lenkrad weg in den Schoß legte, da merkte John, dass der Junge zitterte.
    Der Bruder öffnete die Autotür. »Gehen wir ein paar Schritte … Das wird Sie beruhigen, und Sie können mir in aller Ruhe erzählen, wie sich die Sache abgespielt hat.«
    Eine Weile folgten sie schweigend dem mit Gras überwachsenen Weg. Die Luft war trocken. Auf den frischgemähten Wiesen um sie herum lagen letzte Reste von Heu, die man noch nicht zu Ballen zusammengebunden hatte.
    John spürte ein leichtes Beißen in der Nase.
    Nach ungefähr hundert Metern blieb Claudio stehen. »Irgendwer hat Dubach ans Kreuz gebunden.«
    »Ein Kreuz?«
    »Nicht so eines, wie Sie meinen … Ein anderes, zwei große Querbalken«, Claudio malte mit der Hand ein großes X in die Luft. »Ein Folterkreuz.«
    »Um Gottes willen!«
    Der Bruder wusste nun, woher der bittere Schmerz kam, den er die ganze Zeit über in Jagmettis Gesicht gesehen hatte.
    »Irgendwie muss es ihm gelungen sein, sich da loszureißen, denn seine rechte Hand war nur noch …«
    Claudio wollte den Satz nicht beenden.
    »Offenbar gab es in diesem Raum zwei Kanister mit Wasser. Die waren leer, als wir kamen. Und eine Filmkamera war da, auf einem Stativ … Die ist jetzt bei uns, im Technischen Labor. Keine Ahnung, was dadrauf ist.«
    »Hat dieser arme Mensch etwas gesagt?«, wollte John wissen.
    Claudio schüttelte den Kopf. »Er lag am Boden … abgemagert bis auf die Knochen. Ein mit Haut überzogenes Skelett. Und trotzdem hat er noch geatmet, ganz schwach … mit gelben Augen, die in tiefen Höhlen steckten.«
    John blickte zu Claudio hoch. Er hätte diesem jungen Mann gerne seinen Arm um die Schultern gelegt, tröstend. Aber er war zu klein.
    »Ich bekomme dieses Bild einfach nicht aus meinem Kopf«, sagte Jagmetti, der nun ebenfalls still stand.
    John nickte, senkte seinen Blick kurz, bevor er Jagmetti wieder ansah. Eine tiefe Trauer erfasste ihn. So wie er neben dem Polizisten stand, auf einer kleinen Anhöhe zwischen Samstagern und Schindellegi, da war ihm bewusst geworden, dass es solche Momente gab. Momente, in denen er eine Decke benötigt hätte und nur ein Taschentuch besaß.
    Es war Jagmetti, der nun seinen Arm um Johns Schultern legte. »Es wird vorbeigehen«, sagte er leise. »Gehen wir zurück zum Auto. Ich glaube, es wartet noch ein Haufen Arbeit auf uns.«

Kapitel 26
    Wie Jagdfieber, ohne dass am Ende geschossen wird
    E schenbach beobachtete ungeduldig, wie Lenz mit seiner Reisetasche zurückkam, einen silbernen Laptop hervorkramte, ihn aufklappte und hochfuhr.
    »Du weißt also nicht, wie dieser Ernest Bill aussieht.« Lenz setzte sich wieder an den Tisch unter der Laube.
    »Eigentlich nicht.« Der Kommissar fuhr sich mit der Hand durch den Bart. »Aber irgendwo muss es doch ein Bild von dem geben. Immerhin ist er Verwaltungsrat bei Duprey.«
    »Präsident sogar.« Lenz nahm den Geschäftsbericht zur Hand, schlug ihn auf, blätterte ein paar Seiten durch. »Hier steht’s klar und deutlich. Zudem hat er einen Bericht verfasst. Das ist so üblich. Üblich wäre auch, dass ein Foto drin ist, zusammen mit dem CEO in trauter Zweisamkeit.«
    »Das wäre dann Jakob Banz.«
    »Richtig.«

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