Rütlischwur
switch off the lights.« Der Mann am AVIS-Schalter, ein untersetzter, breitschultriger Bursche mit heruntergekauten Fingernägeln, bläute ihm diesen Satz ein; es ging um Leben und Tod.
Eschenbach fand den Wagen sofort. Es war ein knallroter Ford Fiesta, der zwischen zwei leuchtend gelben VW Polo eingeklemmt war. Vermutlich gab es diese Farben speziell für Touristen wie ihn, dachte der Kommissar. Leute, die vom Kontinent kamen und die ein Leben lang auf der falschen Straßenseite gefahren waren.
Eschenbach stieg ein und fuhr los. Er fand auf Anhieb die Straße Richtung Ballymun, die ihm Lenz aufgeschrieben hatte.
Dass ihm Lenz am Vorabend sein Bett angeboten hatte, war außerordentlich nett von ihm gewesen. Aber Eschenbach hatte sich gar nicht erst auf eine Diskussion eingelassen und die Couch gewählt. Die Quittung hatte er nun: Sein Rücken protestierte. Der Kommissar wollte gar nicht daran denken, dass er noch drei Stunden Fahrt vor sich hatte.
Er war überrascht, wie gut er sich zurechtfand in dieser verkehrten Welt mit links schalten, rechts sitzen, links fahren … Zweimal touchierte er den Bordstein, fand aber sofort wieder auf die Fahrbahn zurück. Im Kreisverkehr verpasste er einmal eine Ausfahrt und drehte eine Extrarunde. Ein freundlicher Ire zischte rechts vorbei und zeigte ihm den Vogel. Aber das machte nichts.
Im zweiten Anlauf fand er die M7, die dreispurig, wie ein breiter Strom, Richtung Süden verlief. Und plötzlich ging alles wie von allein. Eschenbach öffnete einen Spalt weit das Fenster und zündete sich eine Brissago an.
Nach anderthalb Stunden fuhr er auf einen Rastplatz, vertrat sich die Beine und machte ein paar Dehnübungen. Aber die Rückenschmerzen ließen nicht nach.
Gegen zwei Uhr erreichte der Kommissar Maryborough Hill, ein kleines Provinznest außerhalb von Cork, das mehrheitlich aus roten Backsteinbauten bestand. Reihenhäuschen mit kleinen Gärten und Vorgärten standen Schulter an Schulter, wie Rekruten auf einem Kasernenplatz.
»Ich bin jetzt da«, sagte Eschenbach. Er hatte den Wagen am Straßenrand parkiert und Lenz angerufen.
»Jetzt fährst du weiter in Richtung Cork Harbour, das liegt am Meer. Die Straße heißt Castle Farm. Nach ungefähr fünf Kilometern kommt rechts ein Pub mit dem Namen ›Dead End‹. Das musst du nicht wörtlich nehmen. Ich habe mit dem Wirt telefoniert. Er kennt den Weg zu Billadiers Landsitz.«
Nach einer knappen Viertelstunde fand Eschenbach die besagte Gaststätte. Er stellte seinen Wagen auf den Kiesplatz vor dem Eingang ab.
Ein dunkler, ganz mit Holz getäfelter Raum empfing den Kommissar.
»You must be the Colonel’s friend!« , rief es von hinter der Theke aus dem Halbdunkel. Eine große, hagere Gestalt stand dort und winkte.
Während Eschenbach den Raum durchschritt, sah er sich um. Außer ihm befanden sich keine Gäste im Lokal.
Es roch nach Bier und kaltem Rauch.
»I am Brodie.«
Der Kommissar nickte, sagte ebenfalls seinen Namen und schüttelte die knorrige Hand, die der Mann ihm über den Holztresen reichte.
Der Alte hatte ein aufgedunsenes Gesicht. Nase und Wangen waren von einem Spinnengeflecht roter Äderchen überzogen, und das spärliche Haar, das seitlich über die Stirnglatze gekämmt war, schien wie festgeklebt.
Eschenbach schätzte den Mann auf Ende siebzig.
Im Handumdrehen hielt Brodie zwei Gläser mit Whiskey bereit.
»May good luck be your friend in whatever you do – and may trouble be always a stranger to you.«
Der Kommissar setzte sich auf einen Barhocker und prostete Brodie zu.
Der Whiskey war nicht schlecht. Während der Kommissar ihn in kleinen Schlucken trank, kam ihm in den Sinn, dass er seit dem Sandwich im Flugzeug nichts mehr gegessen hatte.
Brodie zeigte Eschenbach die Whiskeyflasche. »Den macht der Colonel selbst«, sagte er. »His own brand.«
Auf dem Etikett stand: Annie’s Best – Peated Single Malt – Irish Whiskey. Darunter die Jahreszahl 1981.
Eschenbach wollte nicht unhöflich sein. Anstandslos trank er auch das zweite und dritte Glas, das Brodie ihm auftischte. Dann aber zog er demonstrativ ein paar Pfundnoten hervor, um die Zeche zu begleichen. Er konnte den in den Keller gesunkenen Export irischen Whiskeys nicht allein wettmachen. Und die immensen Schulden des Landes begleichen … das konnte er auch nicht. »Ich bin kein Rettungsschirm«, murmelte Eschenbach.
»One for the road« , rief Brodie, als er das vierte Glas füllte. Dabei machte er Eschenbach klar, dass
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