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Ruf der Dämmerung (German Edition)

Ruf der Dämmerung (German Edition)

Titel: Ruf der Dämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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vergehen. Also gab sie Guinness’ Drängen nach und brach zu einem Spaziergang auf. Eine optimale Gelegenheit, die grünen, potthässlichen, aber praktischen Gummistiefel einzuweihen, die sie schließlich doch erstanden hatte. Denn auch wenn heute die Sonne schien – die Wege würden noch nass und matschig sein. Seufzend wickelte sie sich auch in die ebenfalls neu erstandene Wachsjacke. Es gab da sehr schicke Modelle, aber leider nicht im Roundwooder Anglerbedarf. Viola versank fast in dem Kleidungsstück und fühlte sich so attraktiv wie ein Waldschrat. Allerdings würde sie auch kaum anderen Wesen begegnen als vielleicht einem Leprechaun. Sie lächelte bei dem Gedanken an die irischen Kobolde, denen die Einheimischen mitunter sogar kleine Häuser im Garten bauten. Angeblich verbrachten sie die Tage schnarchend und die Nächte Bier trinkend in speziellen Pubs.
    Viola wanderte zunächst über die Wiesen am See entlang, dann durchquerte sie ein Wäldchen, das sich bis zu einer kleinen Klippe erstreckte. Die Felsen reichten hier bis zum See und spiegelten sich darin – Viola konnte sich an den magisch wirkenden Landschaften nicht sattsehen, die sich dadurch unter Wasser aufzutun schienen. Der See sei bis zu sechzig Meter tief, hatte ihr Patrick verraten. Fischreich, aber monsterfrei, wie Dad lächelnd hinzufügte. Er wurde von Bergbächen gespeist und war eisig kalt. Selbst im Hochsommer brauchte es Überwindung, um darin zu baden – die Einheimischen taten es kaum. Das Wasser war meist tiefblau, aber jetzt spiegelte es auch die vielen verschiedenen Grüntöne der Landschaft ringsum. Viola hatte noch nie so viele Schattierungen von Grün gesehen wie hier in Irland, und heute, nach dem Regen, schienen sie noch intensiver als sonst.
    Der Weg führte jetzt wieder abwärts und Viola musste aufpassen, auf dem steinigen Pfad nicht zu stolpern. Immerhin wurde sie unten mit dem Anblick der verwunschenen kleinen Insel belohnt, auf der auch ein altes Gemäuer zu erkunden war.
    Ein keltisches Heiligtum, behauptete Patrick, wenn er sich als Fremdenführer versuchte, aber Shawna hatte kichernd erklärt, das sei nur eine Art Sommerhaus gewesen – gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts von reichen Engländern erbaut. Es gehörte zu dem Herrenhaus in den Hügeln, in dem heute das Berghotel untergebracht war.
    Viola tastete sich durch ein Schilfdickicht, bevor sie das Seeufer und den Übergang zur Insel erreichte – und sah zu ihrer Verblüffung den fremden Jungen auf dem Fragment der zierlichen Bogenbrücke sitzen, die das Inselchen mit dem Festland verband. Fast versteckt unter den tief hängenden Ästen der Bäume am Ufer lehnte er an einem geborstenen Pfeiler und ließ die Beine ins Wasser baumeln. Schöne, schmale Füße mit langen Zehen … blass, aber nicht blau gefroren von dem eisigen See. Viola dagegen bekam schon Zitteranfälle, wenn sie nur daran dachte, hier zu baden – oder war es der erneute Anblick des Jungen, der sie verunsicherte? Aber nein, der trieb ihr eher das Blut ins Gesicht … Sie durfte auf keinen Fall rot werden! Viola versuchte, entspannt und normal auszusehen. Der Junge lächelte ihr zu und winkte ihr. Seine Augen schienen diesmal dunkler, als spiegelten sie die Tiefen des Sees, über den gerade leichte Wolken zogen. Dabei hatte eben noch strahlend die Sonne geschienen. Aber jetzt wurde das Licht wieder diffus und unwirklich.
    »Komm!«, sagte er freundlich und wies auf den Platz neben sich. »Der Stein ist ganz warm …«
    Hatte er ihre Gedanken gelesen? Und warum meinte sie, ein so unwiderstehliches Locken in seiner Stimme mitschwingen zu hören, das ein Nein fast unmöglich machte?
    Trotzig blieb sie stehen. »Was … was für ein Zufall, dich zu treffen …« Es klang steif und unsicher. »Hallo … Hallo erst mal … Ich … ich weiß gar nicht, wie du heißt …?«
    »Ich habe auf dich gewartet«, stellte der Junge richtig, ohne ihre Frage zu beantworten.
    »Hier?«, brach es aus Viola heraus. Der Platz am See war mehr als abgelegen. Kein Mensch konnte auf die Idee kommen, einen anderen hier abzupassen. »Woher wusstest du …?«
    Der Junge lachte – wobei ein eigenwilliges Strahlen von ihm auszugehen schien. Er wirkte nicht bedrohlich. Viola trat einen Schritt näher.
    »Ich hab dich schon oft hier gesehen«, erklärte er. »Dich und die kleine Seele.«
    Er wies auf Guinness, der bisher im Schilf herumgestöbert hatte, jetzt aber zu Viola zurückkam und ihre Unsicherheit gegenüber dem

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