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Ruf der Dämmerung (German Edition)

Ruf der Dämmerung (German Edition)

Titel: Ruf der Dämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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»Geschweige denn, dass ich beim Vorbeilaufen sehe, ob es Männlein oder Weiblein ist.«
    »Jedenfalls sagst du mir Bescheid, wenn du es noch mal siehst, nicht?«, meinte Shawna, immer noch nicht bereit, ihren Traum aufzugeben. »Wenn es zahm ist, können wir uns vom Tierarzt ein Lesegerät für Mikrochips leihen. Dann wissen wir ja, ob es einen Besitzer gibt.«
    »Und wenn es keinen Chip hat, ist es Freiwild?«, spöttelte Moira. »Vergiss es, Shawna, niemand setzt große, graue Pferde wie Fluffy aus. Das Tier ist irgendwo weggelaufen – vielleicht aus dem neuen Reitstall am Lough Tay. Oder Viola hat sich vertan und es war doch eins von Bills Ponys. Sie sagt doch selbst, sie hat keine Ahnung. Kann’s nicht sein, Vio, dass du einfach falsch geguckt hast?«
    Viola wollte das nicht gänzlich ausschließen. Aber da war natürlich noch der Junge …
    Hier erfuhr sie allerdings noch weniger als in Bezug auf das Pferd. Keines der Mädchen kannte einen schmalen, hellhaarigen Jungen, der im Wald wohnte. Moira begann auch sofort, sich über Viola lustig zu machen.
    »Vielleicht ein Elf?«, spöttelte sie.
    Viola verdrehte die Augen und brach das Thema erst mal ab.
    Shawna griff es später allerdings wieder auf, als die Mädchen zusammen in die Klasse gingen. »Bestimmt ein Tourist«, meinte sie. »Ein paar zelten immer wild, auch wenn’s verboten ist.«
    »Aber er hat gesagt, er wohnt hier«, beharrte Viola.
    Shawna zuckte die Schultern. »Das kann auch vorübergehend bedeuten. War er sicher Ire, Vio? Oder Engländer?«
    Viola kam sich dumm vor, freute sich jedoch, dass zumindest Shawna sie ernst nahm. »Ich kann die Dialekte nicht auseinanderhalten«, bekannte sie. »Aber er sprach fließend Englisch. Ich glaube nicht, dass er Franzose war oder Italiener oder so was.«
    Andererseits hatte der Junge kaum mehr als drei oder vier Sätze gesagt. Und die hatten reichlich merkwürdig geklungen. Vielleicht hatte er sich ja deshalb wie ein Ritter aus vergangenen Zeiten angehört, weil Englisch doch nicht seine Muttersprache war. Dazu passte dann auch der rätselhafte Satz am Schluss: »Du hast mir … gegeben …«
    Was hatte Viola ihm gegeben? Und warum zum Teufel erinnerte sie sich an jedes Wort, das er gesprochen hatte, und an jede Nuance seines Gesichtsausdrucks?
    Es war besser, diesen Jungen zu vergessen. Sie lachte gezwungen. »Wenn ich ihn wiedersehe, werde ich dich anrufen, Shawna, dann kannst du herausfinden, ob er gechipt ist!«
    Sie lachten beide und ließen das Thema fallen, als das Klassenzimmer sich füllte.

    In den nächsten Tagen regnete es praktisch an jedem Nachmittag und Viola hatte weder Zeit noch Lust zu langen Spaziergängen. Der Campingplatz leerte sich jetzt erkennbar – in der Nachsaison kamen nur noch wenige Urlauber in den Wicklow Nationalpark. Patrick und Violas Dad beschäftigten sich vorwiegend damit, den Schuppen und die Boote winterfest zu machen, und Viola half ihnen, sie zu streichen und aufzubocken. Dazu verspürte sie zwar keine besondere Lust, aber es war die einzige Möglichkeit, Ainné, dem Haushalt und der Reinigung der Sanitäreinrichtungen zu entkommen. Im Laden gab es schließlich nichts mehr zu tun und sie konnte sich auch nicht den ganzen Nachmittag mit Schularbeiten herausreden.
    Patrick plante jetzt seine Rückkehr nach Dublin und Shawna schmachtete ihn umso hoffnungsloser an. Die beiden stritten sich jetzt weniger, es gab keinen Grund mehr dafür. Auch Bills Reitbetrieb stagnierte schließlich im Herbst, und im Winter verlieh er so gut wie gar keine Ponys. Er dachte daran, zwei zu verkaufen, um sie nicht durchfüttern zu müssen, und Shawna heulte schon im Vorfeld.
    Viola hatte nicht gerade das Gefühl, als ob ihr die Decke auf den Kopf fiele – aber doch so, als senke sie sich langsam ab und würde sie im Winter unter vielen Vielleichts von Ainné vollständig begraben.

    Erst am vierten Tag nach Violas Begegnung mit dem seltsamen Jungen klarte das Wetter wieder auf. Es war Samstag, Viola hatte frei und hoffte eigentlich auf einen Ausflug mit ihrem Vater. Er hatte ihr halbherzig versprochen, mit ihr nach Dublin zu fahren. Wie sie aber fast schon erwartet hatte, fühlte sich Ainné am Morgen schlecht, meinte Vorwehen zu spüren, und musste dringend zur Ambulanz nach Roundwood gebracht werden. Viola machte sich keine Illusionen: Bis sich ein Arzt gefunden hatte, der das Ultraschallgerät anwarf und sich vom einwandfreien Zustand von Ainnés Baby überzeugte, würde der halbe Tag

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