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Ruf der Daemmerung

Titel: Ruf der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riana O Donnell
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Ahi lachte mit. Viola fühlte Erleichterung. Also verstand er auch menschlichen Humor. Er war fremdartig, aber doch nicht so grundlegend anders als sie, dass sie ... dass sie ihn nicht lieben konnte?
    Viola gestattete sich, mit ihren Fingern leicht durch sein Haar zu fahren. Es war glatt und kühl wie reine Seide.
    »Aber warum müsst ihr überhaupt jagen?«, fragte sie dann. »Wenn ihr euch ... mit uns verständigen würdet ... mit den - hm - guten Menschen. Wir könnten ...«
    Sie wollte weitersprechen, aber plötzlich legte Ahi seine kühle, sanfte Hand auf ihre Lippen. Alarmiert hob er den Kopf.
    »Jemand kommt!«, sagte er. »Ich muss gehen!«
    Viola griff nach seiner Hand. »Ich habe nichts gehört«, meinte sie. »Bist du sicher? Bitte ... bleib ...«
    »Ich bin sicher.« Ahi zog ihre Hand an seine Lippen.
    »Viola ...«
    Viola zitterte, aber jetzt nicht mehr vor Angst, sondern vor Erregung.
    »Ich hab dir noch gar nicht gedankt. Für ... für neulich ...«
    Ahi wollte abwinken, aber Viola nahm jetzt ihren ganzen Mut zusammen. Bevor er von dem Felsen heruntergleiten konnte, küsste sie ihn leicht auf die Stirn, streifte seine kühle, glatte Haut mit ihren Lippen.
    Und sah dann dem silbernen Pferd nach, das auf dem Pfad zum See verschwand ...
    »Täusche ich mich oder habe ich da gerade ein Pferd gesehen?«, fragte Violas Vater. Er kam hinter dem Bootshaus vor, also waren es seine Schritte, die Ahi gehört hatte. »Sind Bills Ponys nicht im Stall?«
    Viola lächelte ihm zu. »Du bist verrückt, Dad. Hier war kein Pferd. Nur die Steine und ich - und vielleicht ein paar Feen. Hast du mich gesucht?«
    Er nickte und lächelte ebenfalls. »Ein Pferd und du - das schließt sich ja auch aus. Aber was machst du hier allein? Es wird doch schon kalt jetzt - und es gibt Abendessen ...«
    Viola stand etwas schuldbewusst auf. Ainné nahm ihr zweifellos übel, dass sie nicht rechtzeitig zum Kochen nach Hause gekommen war. Wahrscheinlich hatte sie ihren Mann auch mit wenig freundlichen Worten ausgeschickt, nach seiner Tochter zu suchen. Aber verdammt, Viola hatte auch ein Privatleben! Und immerhin war sie vorgestern beinahe ertrunken, um Ainnés dämliches Kanu zu retten! Sie verdrängte die Schuldgefühle.
    »Lass mich raten, Fish and Chips?«, bemerkte sie. »Garantiert salzfrei zubereitet, dafür ein bisschen verbrannt? Mein Lieblingsessen. In drei Minuten bin ich da!«
    Sie folgte ihrem Vater zum Haus, konnte sich aber nicht auf die Unterhaltung mit ihm konzentrieren. Sie war noch zu aufgewühlt von der Begegnung mit Ahi und den Dingen, die sie über ihn erfahren hatte. Ahi war ein Kelpie. Gut. Aber er wollte nicht töten und musste nicht töten. Sie konnte ihm auch freiwillig Lebenskraft geben. Es war möglich, zu teilen ...
 

 
    Am Abend träumte sie vom friedlichen Zusammenleben zwischen Menschen und Kelpies. Es konnte nicht so schwierig sein, Menschen dazu zu überreden, ab und zu ein Kelpie zu berühren. Ahi und sein Volk würden dafür ... Viola dachte nach. Sie musste unbedingt herausfinden, was diese seltsamen Wesen zu geben hatten ...

7
 
    Aus ihren früheren Treffen mit Ahi schloss Viola, dass ihr Kelpie meist die Abendstunden nutzte, um sie zu sehen. Außerdem hatten bislang fast immer Nebel über dem See gelegen, wenn Ahi auftauchte. Ob Kelpies also das Sonnenlicht fürchteten wie Vampire? Es gab noch so viel, das sie ihren fremdartigen Freund fragen musste, wenn sie ihn wiedersah - aber vorerst bemühte sie erst mal wieder das Internet, schon um die Wartezeit zu überbrücken. Sie war rastlos und aufgeregt und fieberte den Abendstunden und dem Wiedersehen mit Ahi entgegen, obwohl die beiden nicht mal ein Treffen ausgemacht hatten. Vielleicht würde - konnte? - er gar nicht kommen oder er brauchte erneut eine Ausrede. Aber seine einzige Ausrede war die Jagd! Wie lange mochte er damit durchkommen? Und wie gefährlich konnte es für Viola selbst und ihre Familie werden, wenn sie die Kelpies hier geradezu anlockte? Wäre Louise Richardson auch zum Opfer geworden, wenn sie nicht auf dem Campingplatz der O'Kelleys/McNamaras logiert hätte?
    Dem Internet war weiter nichts Neues zu entnehmen. Interessant fand Viola nur die Informationen über die »Zähmung« des Kelpie. Wenn man sie sich - egal ob als Pferd oder in Menschengestalt - untertan machte, führten sie wohl ein völlig normales Leben als Pferd oder Mensch: Sie brauchten niemanden mehr seiner Seele zu berauben, um zu überleben, aber irgendwann starben

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