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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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entrüstet und zupfte an den Blumen herum. »Denkst du, ich mache halbe Sachen?«
    Ich griff mir seufzend an die Stirn.
    »Max, ganz ehrlich, ich sehe das Problem nicht. Ihr beide hattet was miteinander, richtig?«
    Max druckste ein wenig herum. »So würde ich das nicht unbedingt nennen.«
    »Ihr hattet also nichts miteinander, aber du würdest das gerne ändern.«
    Er legte bedächtig den Kopf schief. »Könnte man so sagen. Wobei es nicht mal eine Beziehung sein müsste …«
    Ich unterdrückte ein Lachen.
    »Prima. Du willst mit ihr in die Kiste. Das schaffst du doch bei anderen Frauen üblicherweise spielend. Wieso also dieser Aufstand? Was ist bei Maren anders?«
    Max presste die Lippen aufeinander und starrte aus dem Fenster in die Nacht hinaus, als überlege er, mir tatsächlich zu erzählen, was los war. Dann schnaubte er nur leise, schlang das Blumenpapier wieder um den Strauß und drückte ihn mir in die Hand. »Mach es einfach!«
    Ich verkniff mir ein Grinsen, holte ein großes Bierglas aus dem Schrank, füllte es mit Leitungswasser, das wieder einmal merkwürdig rostrot aus den alten Rohren floss, und stellte die Blumen vorsichtig hinein.
    »Also gut. Wo wohnt diese Maren?«
    »In Neukölln.«
    Max verriet mir Straße und Hausnummer, verlor aber sonst kein Wort mehr über die ominösen Gründe der Blumenaktion. Ich sah ein, dass aus ihm nicht mehr herauszuholen war, und schlurfte, nachdem ich mir die Adresse aufgeschrieben hatte, mit Blumen und Notiz zurück in mein Zimmer. Ein Blick auf den Stadtplan zeigte, Marens Wohnung war nicht weit entfernt. Vielleicht zwanzig Minuten Fußweg.
    Ich betrachtete die Blumen, die nun in dem Bierglas auf meinem Schreibtisch am Fenster thronten, und unterdrückte ein Seufzen. Ganz sicher würde diese Maren nicht begeistert sein, vor einem langen Uni- und Arbeitstag mit einem pseudo-romantischen Blumengruß überfallen zu werden. Aber gut. Max hatte diesen Plan gefasst, ich war nur der Bote. Dass man früher mit Vorliebe die Boten köpfte, verdrängte ich lieber. Stattdessen blickte ich auf den Wecker. Mir blieb noch eine Dreiviertelstunde für ein wenig Schlaf. Ich zog mir die Decke über den Kopf und sank erneut in einen unruhigen Schlummer.
    Hätte ich auch nur im Geringsten geahnt, was dieser Botengang auslösen würde, ich wäre nicht vor die Tür gegangen. Doch als ich endlich bemerkte, wie tief ich in Dinge hineingeraten war, die mich nichts angingen, war es schon längst zu spät …

KAPITEL II
    Der Morgen war trüb. Die Koronen der alten Gaslaternen schwebten wie erstarrte Irrlichter im Nebel und der rußige Geruch der Kohleöfen, um die sich die Berliner bei Kälteeinbruch kümmerten wie um träge Haustiere, stach mir beißend in die Nase. Ich ging durch die Straßen Kreuzbergs zum Kanal hinunter und dann weiter, immer am Ufer entlang, Richtung Neukölln. Das Wasser glitzerte dunkel und jenseits des Nebels tauchte wie ein Trugbild das Grau der Mauer auf, die die Stadt durchschnitt. Hier war nicht nur die Grenze zwischen den Stadtteilen Kreuzberg, Neukölln und Treptow – hier verlief eine Grenze zwischen Welten, und die Häuser direkt hinter der Mauer schienen Galaxien entfernt zu sein.
    Wie immer, wenn ich an der Mauer entlangkam, spürte ich die wachsame Beobachtung als Prickeln im Nacken. Die Wachtürme düstere Kuben. Verborgene Blicke, die einem wie misstrauische Dämonen folgten. Und in der Ferne aufragend der Fernsehturm, der im frühen Herbstnebel wie eine Illusion über der Stadt zu schweben schien. Ich ließ die Brücke an der Lohmühle links liegen und tauchte ein in die diesigen Schatten alter Platanen, bis ich die gesuchte Straße erreichte. Innerhalb weniger Minuten war ich an dem Haus angelangt, in dem Maren lebte. Ich suchte nach dem Klingelschild mit ihrem Nachnamen und fand es nach wenigen Sekunden. Maren Unger. Ein Blick auf die Uhr. Es war kurz vor sieben. Meine Kehle war plötzlich merkwürdig trocken, aber ich stand ja auch nicht jeden Tag mit einem Strauß roter Rosen bei einer wildfremden Frau vor der Tür. Sollte ich vielleicht einfach warten, bis sie runterkam? Aber ich wusste ja nicht einmal, wie sie aussah …
    Das Tor war nicht verschlossen und so gelangte ich ohne Probleme in den Innenhof. Ich durchquerte ihn, ohne mich genauer umzusehen. Zu sehr beschäftigte mich die bevorstehende Aufgabe. Und insgeheim verfluchte ich Max und seine verrückten Ideen.
    Maren Unger wohnte im Seitenflügel, Aufgang III, erster Stock. Mit wild

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