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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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pochendem Herzen betrat ich den Flur und stieg die Treppe hinauf. Es war düster wie in den meisten Berliner Altbauten, die Stufen ächzten unter jeder Bewegung und der unverkennbare Geruch von Staub und Bohnerwachs lag in der Luft.
    Vor Marens Tür angekommen, blieb ich stehen, streckte die Hand aus, hielt aber kurz vor Berühren der Klingel inne. Vielleicht lieber doch nicht? Es war so verdammt früh … Max tat sich damit ganz sicher keinen Gefallen!
    Jakob, darüber hast du nicht zu entscheiden.
    Nein. Am besten brachte ich diese Angelegenheit so schnell wie möglich hinter mich! Ich atmete tief durch und drückte dann beherzt auf die Klingel. Einmal. Zweimal. Das Geräusch schrillte erschreckend laut durch die Morgenstille.
    Einen Moment blieb es ruhig in der Wohnung und ich wollte schon aufatmen, da polterte es. Das Knarren von Dielen unter schnellen Schritten und nur Sekunden später wurde die Tür aufgerissen.
    »Was soll der Scheiß?«
    Ich fuhr zusammen. Vor mir stand eine junge Frau, mit nichts weiter als einem weiten Kimono bekleidet, den sie nachlässig mit einem Seidenband an der Hüfte zusammengeschlungen hatte. Ihr Haar, dessen Farbe und Frisur mich an Mireille Matthieu erinnerten – nur dass es bei diesem Mädchen erstaunlich gut aussah! – war noch verstrubbelt vom Schlaf. Ganz offensichtlich hatte ich Maren Unger gerade direkt aus dem Bett geklingelt.
    Doch nicht das hatte mich zusammenzucken lassen. Es war ihr Gesicht, das mir merkwürdig bekannt vorkam. Und die Art, wie Maren mich ansah. Erst wütend, dann zunehmend ungläubig.
    »Jakob?«, sagte sie irritiert und blickte zwischen mir und den Rosen hin und her.
    Ich straffte die Schultern.
    »Blumen … für … Sie«, stotterte ich den Satz heraus, den ich mir zurechtgelegt hatte, und suchte in Gedanken zugleich fieberhaft nach einer Erklärung dafür, dass Maren Unger mir so bekannt vorkam.
    Sie schien es zu spüren, denn sie lächelte.
    »Wir kennen uns aus der Uni. Das Seminar für mittelalterliche Notation. Ich bin Maren – das Klavier.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Besser gesagt: Maren mit dem Hauptfach Klavier.«
    Natürlich! Es durchschoss mich wie ein Blitz. Maren saß schräg vor mir, meistens sah ich nur ihren Hinterkopf. Einen ausnehmend hübschen Hinterkopf, wie mir nicht entgangen war. Doch bis heute hatte ich nie Gelegenheit bekommen, sie anzusprechen. Geschweige denn gewusst, dass sie Maren hieß.
    Maren musterte mich für einen Augenblick mit ihren dunkelbraunen Mandelaugen. Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Morgens um sieben mit Rosen vor meiner Tür stehen … DAS hat bisher tatsächlich noch keiner gemacht. Süß von dir. Und mutig.«
    Mein Herz machte einen Sprung. »Was? Oh … nein, die sind nicht von mir.« Hastig reichte ich Maren den Strauß.
    Sie hob irritiert die Augenbrauen. »Wie bitte?«
    Ich schluckte schwer.
    »Max. Die Blumen sind von Max. Mein Mitbewohner. Ich bin nur der …«
    … Bote, der gleich einen Kopf kürzer gemacht wird , schoss es mir durch die Gedanken.
    Marens Miene änderte sich schlagartig. Statt des Lächelns legte sich ein Schatten über ihr Gesicht.
    »Max? Ach so.«
    Sie musterte die Blumen in ihrer Hand und blickte dann zurück zu mir. Eine steile Falte hatte sich zwischen ihren Augenbrauen gebildet.
    »Egal. Willst du einen Kaffee?«
    Ich zögerte einen Moment. Dann – ich weiß nicht genau, warum – nickte ich.
    »Aber nur, wenn ich nicht störe.«
    »Ach was. Wie könntest du stören, mitten in der Nacht?«
    Maren drehte sich um und ging den für Berliner Altbauten so typischen langen und schmalen Flur entlang. Ich trat ein und schloss behutsam die Tür hinter mir. Jede einzelne der morschen Dielen schien unter meinen Schritten zu knarren.
    Als ich in die Küche kam, klappte Maren gerade den Mülleimer auf und ließ den Blumenstrauß hineinfallen.
    »Den Kaffee schwarz oder mit Zucker?«, fragte sie ungerührt. »Milch ist aus.«
    Ich starrte auf den Deckel des Mülleimers, der beim Zufallen gnadenlos die Rosen geköpft hatte. Maren folgte meinem Blick, zuckte dann mit den Schultern und seufzte leise.
    »Max gibt einfach nicht auf. Manchmal glaube ich, er ist irre.« Sie legte den Kopf schief. »Weißt du, genau deshalb fange ich nie in der ersten Nacht etwas mit einem Typen an. Man weiß einfach nicht, als was der sich dann entpuppt.«
    Ich nickte stumm. Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte antworten können. Außer, dass mich diese Aussage auf eine völlig

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