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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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Prickeln im Nacken. Aber merkwürdigerweise war es nicht unangenehm.
    ***
    Das Archiv sah aus wie eine alte Bibliothek. Dunkles Holz, warmes Licht und über allem der Geruch von Papier und Staub.
    Mirella breitete die Arme aus. »Willkommen im langweiligsten Teil der Akademie – unserem Altpapierlager!«
    Fasziniert blickte ich mich um. Ein großer, zentraler Raum, über dem sich eine Kuppel aus bleigefasstem Glas wölbte. Unzählige Bücher, Papiere und Karten schienen hier dämmernd darauf zu warten, dass jemand ihre Geheimnisse entdeckte. Aber da war noch etwas … Der Eindruck, dass die Präsenz unzähliger kluger Menschen noch immer in der Luft hing. Fast war es, als müsste man nur die Hand ausstrecken und könnte einen der Geistesblitze berühren, die durch die Atmosphäre strichen wie zeitlose Kometen.
    »Wahnsinn!«, murmelte ich und ließ den Blick durch den Saal und hoch zur Kuppel wandern. Mirella hatte ich vollkommen vergessen.
    Schließlich räusperte sie sich laut. »Und? Was suchst du jetzt genau?«
    Ich zwang meine Aufmerksamkeit zurück ins Hier und Jetzt.
    »Hast du schon einmal von den Wasserspeiern gehört, die in Berlin verteilt sind?«, fragte ich. »Ich brauche alle Informationen dazu, die ich kriegen kann.«
    Mirella runzelte erstaunt die Stirn. »Die ollen Drachen? Warum hast du das nicht gleich gesagt? Das ist einfach, dazu brauchst du kein Archiv!«
    Überrascht sah ich sie an. »Was weißt du darüber?«
    Mirella ließ sich in einen der samtbezogenen Sessel fallen, die vor einem gemauerten Kamin standen, schlug lässig die Beine übereinander und begann, mit einer der kinnlangen Locken zu spielen, die ihr ins Gesicht fielen.
    »Es ist ein altes System, um Anwärter für die Akademie zu finden«, begann sie.
    Ich ließ mich ihr gegenüber auf einem weiteren Sessel nieder und hörte gespannt zu.
    »Früher waren besondere Wahrnehmungen und Fähigkeiten nicht gerade ungefährlich, wie du sicher weißt«, fuhr sie fort. »Es gab Zeiten, in denen man wegen einer Kleinigkeit auf dem Scheiterhaufen landen konnte. Geistersehen war eher eine Strafe als eine Gabe …«
    »Richtig«, entgegnete ich. »Aber was haben die Wasserspeier damit zu tun?«
    Mirella legte den Kopf schief und das goldene Licht der kleinen Tischlämpchen tupfte helle Strähnen in ihr Haar, während die Schatten unter ihren hohen Wangenknochen ihr Gesicht älter wirken ließen. Plötzlich hatte ich nicht mehr den Eindruck, einen unreifen Teenager vor mir zu haben. Nicht zuletzt wegen der Ernsthaftigkeit, die in ihren Worten lag.
    »Stell dir vor, du bist ein Mensch mit einer besonderen Begabung und kannst niemandem davon erzählen«, sagte sie leise und beugte sich ein Stück vor. »Du bist jung, einsam und wüsstest gerne, ob es außer dir noch andere gibt, die ebenfalls merkwürdige Dinge wahrnehmen. Geister sehen, sich reinspüren in die Stimmungen anderer, vielleicht auch mit der bloßen Kraft der Gedanken Gegenstände bewegen oder Feuer entzünden. Was würdest du tun?«
    Ich überlegte kurz.
    »Wenn ich nicht auffallen dürfte, würde ich versuchen, nur diejenigen auf mich aufmerksam zu machen, die die Signale verstehen.«
    Mirella lächelte zufrieden. »Ganz genau das hat er getan!«
    »Wer?«
    »Der Erbauer der Wasserspeier.«
    Sie erhob sich, ging zu einem Regal im hintersten Winkel der Bibliothek und kehrte kurz darauf mit einem dicken, in rotes Leder gebundenen Buch zurück. Sie schlug es auf und blätterte bis zur gesuchten Seite.
    »Hier!«, sagte sie, reichte mir das Buch und deutet auf ein abgedrucktes Bild. »Das ist er. Alban Delius. Jeder in der Akademie kennt ihn, er war eines der wichtigsten Mitglieder. Nachdem er die Akademie gefunden hatte, versteht sich. Leider blieb ihm nicht viel Zeit, diesen Zustand zu genießen.«
    Ich starrte auf das Foto. Es zeigte einen jungen Mann, der in einen dunklen Anzug, weißes Hemd und Weste gekleidet war. Auf den ersten Blick hätte man ihn für Hades halten können, was wahrscheinlich an der förmlichen Kleidung lag.
    Alban Delius stand neben einem wuchtigen dunklen Schreibtisch, den ich sofort wiedererkannte. Es war das Ungetüm, an dem jetzt Gunnar Thiel saß. Dahinter an der Wand hing allerdings ein Gemälde, an das ich mich nicht erinnern konnte. Es zeigte die gleichen Symbole, die mir auch auf der Kuppel in der Eingangshalle der Akademie aufgefallen waren: einen Drachen, einen Löwen, einen Phönix und den Planeten Saturn.
    Ich runzelte die Stirn. »Was hat es mit

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