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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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trügerisch. Es ist eine nicht auszuhaltende Stille des Todes. Ich bin froh, dich in Sicherheit zu wissen – und mit dem festen Gedanken daran, dass der 9. November unser Land verändern wird, wie kein Tag zuvor es jemals getan hat. Verbreite die Botschaft. Tu es für mich, wenn du kannst. Und vielleicht gibt es jemanden, der die Botschaft zu lesen vermag – selbst wenn ich niemals wiederkommen sollte.
    Es grüßt dich in Gedanken,
dein Freund
    Ich schluckte schwer und merkte, dass meine Hände zu zittern begonnen hatten. Kein Zweifel. Alban Delius hatte immer nur vor der Novemberrevolution gewarnt. Er hatte den Sturz des Kaiserreiches, das Ende der bisherigen Ordnung und die Ausrufung der Republik gesehen.
    Der Kern der Stadt … Jetzt verstand ich auch, was damit gemeint war. Wenn man vom Dom aus den Blick wendete, sah man heute direkt auf den Palast der Republik. Zu Delius’ Zeiten aber hatte dort das Stadtschloss gestanden – mit dem Balkon, von dem am 9. November 1918 die Republik ausgerufen worden war.
    Ich hatte die Nachricht der Speier fehlinterpretiert. Es war nie um eine aktuelle Revolution gegangen.
    In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Archiv mit einem lauten Knarren. Mirella und ich wandten den Blick zum Eingang.
    Es war Hades. Er musterte uns mit einer Mischung aus Verwunderung und Amüsement. »Darf ich fragen, was die Herrschaften so spät am Abend noch hier machen?«
    Sein Blick wanderte zu Mirella hinüber.
    »Solltest du nicht schon längst zu Hause sein, anstatt dich mit Akademiefremden im Archiv herumzutreiben?«
    Mirella warf einen Blick auf ihre Uhr, erblasste und erhob sich hastig.
    »Stimmt. Ich muss los.« Sie nickte mir kurz zu. »Ich hoffe, damit sind alle Fragen geklärt?«
    Ich lächelte ihr zu. »Nicht alle. Aber die, wegen der ich ursprünglich hergekommen bin. Danke, Mirella.«
    Ich hatte das Gefühl, dass sie genau wusste, dass ich ihre Geschichte meinte, die noch nicht ausreichend geklärt war. Das Geheimnis, das sie mit sich trug. Doch das hatte Zeit. Viel Zeit. Ich war mir sicher, dass wir uns nicht zum letzten Mal sahen.
    Mirella lächelte mir ein wenig unsicher zu und stopfte die Hände in die Jackentaschen.
    »Gern geschehen. Und lass mich wissen, was ich dafür kriege, dass ich dir geholfen habe.«
    Ich nickte schmunzelnd. »In Ordnung. Ich denke mir was aus.«
    Ich folgte ihr mit dem Blick, während sie auf die Archivtür zusteuerte. Ihre Bewegungen hatten nicht die tänzerische Leichtigkeit von Maren, aber dafür eine kraftvoll elegante Zielstrebigkeit, die gut zu ihr passte. Sie nickte Hades kurz zu. Dann schloss sich die Tür hinter ihr.
    Hades schlenderte mit amüsiert erhobenen Brauen auf mich zu. »Geheime Dates mit der Tochter vom Chef?«
    Ich wehrte ab. »Blödsinn! Sie ist viel zu jung für mich.«
    Der junge Arzt blieb unbeeindruckt. »Das wird sich ändern.«
    Ich zog es vor, zu schweigen.
    Hades trat neben mich und deutete auf das Buch.
    »Ich würde diese alten Schinken niemals ohne Handschuhe anfassen. Man weiß nie, was man sich daran einfängt. Aber abgesehen davon sehe ich, Sie haben Bekanntschaft mit Alban Delius gemacht … Dann wissen Sie ja jetzt, was es mit den Wasserspeiern auf sich hat. Dass es nicht um eine aktuelle Revolution geht. Und dass uns ganz sicher keine gewaltigen Umstürze bevorstehen, nach denen dieses Land nie mehr sein wird wie es vorher war.«
    Ich nahm den leichten Spott in seiner Stimme wahr und verzog die Mundwinkel.
    »Meine Vermutung war also definitiv falsch, ja?«
    Hades nickte und lachte so herzlich, dass ich ihm nicht böse sein konnte.
    »Ja. Aber das sollten Sie sich nicht zu Herzen nehmen. Es ging bei den Wasserspeiern immer nur darum, geeignete Menschen für die Akademie zu finden. Das war das eigentliche Anliegen von Alban Delius. Und es hat Sie zu uns geführt. Wunderbar!«
    Ich runzelte die Stirn. »Können wir dieses dämliche Gesieze nicht langsam mal lassen?«
    Hades legte den Kopf schief. »Ich bin da speziell. Nicht einmal die Akademieanwärter, die schon einige Jahre hier sind, duzen mich.«
    Ich grinste. »Ich bin aber kein Akademieanwärter – und ich habe auch nicht vor, einer zu werden.«
    Hades musterte mich überrascht.
    »Tatsächlich? Thiel hat dich also nicht überzeugt?«
    Ich zuckte mit den Schultern und wählte meine Worte mit Bedacht.
    »Ich muss noch ein wenig darüber nachdenken. In Ruhe. Aber im Moment glaube ich, dass die Akademie noch etwas auf mich warten kann.«
    Hades sah mich mit

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