Ruf der Dunkelheit
Krämpfen durchgeschüttelt wurde.
„Er hat vorhin die ganze Zeit zusammenhanglose Worte gemurmelt.“ Valentinas leise Stimme ließ mich kurz zusammenzucken. Sie bewegte sich so vorsichtig, dass ich sie gar nicht kommen gehört hatte. Mit einem Seufzen setzte ich mich auf die Bettkante und nahm Julians kalte Hand in meine. „Wenn das so weiter geht, wird er irgendwann verhungern.“ Mein Blick fiel auf das mit Blut gefüllte Glas, welches unberührt auf dem kleinen Tisch neben seinem Bett stand. Val trat an mich heran und strich mir über den Rücken. „Noch haben wir ja ein bisschen Zeit.“ Ich spürte, wie sich die Matratze bewegte, als sie sich zu mir setzte. „Max sagt, ihr habt im Wald etwas gefunden?“ Ich nickte betroffen, denn Augenblicklich wurde ich schmerzhaft daran erinnert, was letzte Nacht geschehen war. „Wir … haben Blut gefunden und einen kleinen Anhaltspunkt – die Person, die Julian vergiftet hat …“, ich schluckte schwer, „… von der er Blut getrunken hat, hatte etwas bei sich. Eine Streichholzschachtel, von einem Nachtclub in Boston.“
Valentina rang sich ein aufmunterndes Lächeln ab. „Na, das ist doch schon mal was“, erwiderte sie mit Nachdruck, als wollte sie uns beiden damit Mut zusprechen. „Max hofft, dass wir dort mehr über den Mensch herausfinden, dessen Blut vergiftet war. Aber zuerst werden wir Olivias Hilfe brauchen – sie muss für uns herausfinden, um welche Art Gift es sich handelt.“ Valentina nickte zustimmend. „Wenn sich jemand damit auskennt, dann sie“, spielte sie auf die befreundete Hexe an, die selbst schon etliche, für Vampire giftige Mixturen, hergestellt hatte.
***
„Er hat sich über das Blut eines Menschen vergiftet?“ Olivia drehte das Streichholzschächtelchen zwischen ihren Fingern hin und her und ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Ich atmete geräuschvoll ein. „Wir gehen davon aus. Dort wo die Leiche gelegen haben muss, waren die Blätter blutgetränkt und da haben wir auch das gefunden.“ Ich deutete auf die Schachtel in ihrer Hand.
„Gibt es denn einen Weg, herauszufinden mit was Julian vergiftet wurde?“
„Na ja. Zuhause in Berlin hätte ich die richtige Ausstattung dazu, um die Inhaltsstoffe zu bestimmen – aber das würde natürlich ein paar Tage in Anspruch nehmen und … ich will ganz ehrlich sein, ich bin mir nicht sicher, ob Julian so viel Zeit bleibt.“ Sie sah uns mit ernster Miene an und ich konnte spüren, wie meine Augen begannen, zu brennen. Max stieß geräuschvoll Luft aus und ballte die Fäuste. „Es gäbe da allerdings noch eine andere Möglichkeit“, erklärte Olivia plötzlich und wir horchten auf. „Ich könnte es mit einem Zauber versuchen.“
„Geht das denn?“, hörte ich Valentina ungläubig fragen und Olivia nickte. „Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.“
Als Max Olivia einen Raum zuwies, in dem sie sich auf das Ritual vorbereiten konnte, sank ich in mich zusammen und rieb mir die Schläfen. Olivia war also der Meinung, dass Julian nicht mehr viel Zeit bleiben würde. Meine Verzweiflung wuchs mit jeder Minute, die verstrich und in der ich nichts tun konnte, das ihm helfen würde. Ich stemmte mich hoch und stieg die Treppe nach oben, um nach ihm zu sehen. Wieder einmal wand er sich unter Krämpfen und murmelte einzelne Wortfetzen, die für mich keinen Sinn ergaben. Er schien die meiste Zeit zu halluzinieren und es gab nur sehr wenige Momente, in denen er die Augen aufschlug und er völlig klar bei Verstand war. Ich setzte mich zu ihm und strich ihm über die Wange. Seine Haut war fahl und fühlte sich trocken an. Vorsichtig beugte ich mich über ihn, nahm den schwachen, vertrauten Geruch in mich auf, den er verströmte, der aber immer mehr von etwas Fremden überdeckt wurde. Ich schluchzte leise, denn es nahm mir fast die Luft zum Atmen - es war der Geruch des Todes.
Als ich meine Lippen auf seinen Mund drückte, um ihm einen Kuss zu geben, sah ich aus dem Augenwinkel, wie er matt die Lider öffnete. Sofort richtete ich mich auf und nahm sein Gesicht in meine Hände. Er starrte mich einen Moment lang nur an, dann rollte eine stille Träne aus seinem Augenwinkel, ehe er in seinen fiebrigen Zustand zurücksank. „Ach Julian, wenn ich doch nur wüsste, wie ich dir helfen kann!“ Ich biss mir auf die Lippen, bis es schmerzte, als mir ein Tränenschleier die Sicht nahm. Schluchzend ließ ich meinen Kopf auf seine Brust sinken und drückte mich weinend an ihn. Wir hatten
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