Ruf der Dunkelheit
für sie zu geben.“ Er lächelte leicht, als er mich ansah. „Und ich schwöre dir, Julian empfindet mindestens das Selbe für dich – er ist nur im Moment nicht ganz er selbst. Aber wenn du ganz ehrlich bist, auch du kämpfst jeden Tag dagegen an, die Kontrolle zu verlieren. Ich kann mir vorstellen, dass es eine Bürde ist, Damians Blut in sich zu tragen und ich bewundere deine Stärke.“ Er sagte das so selbstverständlich, als wäre nichts dabei und ich nickte nur stumm.
Ich richtete meinen Blick wieder nach vorne und schluckte, während meine Augen brannten. „Danke“, flüsterte ich heiser und spürte, wie die nagende Eifersucht und die Zweifel mein Herz aus ihrer Umklammerung ließen.
Plötzlich blieb Max neben mir wie angewurzelt stehen. Seine Nasenflügel bebten und ich machte kehrt und trat neben ihn. „Riechst du das?“
„Das ist … Blut!“ Ich sah Max bestürzt an und er schien meine Annahme zu teilen. „Das riecht tatsächlich wie menschliches Blut …“, murmelte er und ging in die Knie, um den Waldboden genauer zu untersuchen. „Hier“, er hob ein Blatt hoch. „Es klebt an den Blättern.“ Ich griff danach, betrachtete es und schnupperte daran. „Geronnenes Blut - aber irgendetwas stimmt damit nicht, riechst du das auch?“ Fragend sah ich Max an und er nickte zustimmend. „Das ist kein reines Blut, aber …“ Ganz vorsichtig, fast ehrfürchtig, fuhr er mit der Spitze seiner Zunge darüber und verzog augenblicklich das Gesicht. „Kein Zweifel, das Opfer war vergiftet.“ Er schüttelte sich angewidert, doch mir war klar, dass es nicht wegen des Giftes war. Es war wohl das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass er an den Geschmack von menschlichem Blut erinnert wurde. Ich berührte ihn sacht an der Schulter. „Alles okay?“
„Ja, ja, es geht schon.“ Er nickte schnell. „Sieht so aus, als hätte hier ein Körper gelegen. Zumindest ist das Laub platt gedrückt. Gedankenverloren drehte er ein Blatt zwischen seinen Fingern hin und her.
„Dass würde bedeuten, Julian hat wahrscheinlich jemanden getötet.“ Meine Stimme war nur ein Flüstern. Max sah zu mir auf und blinzelte, als einige Sonnenstrahlen durch das Geäst der Bäume fielen. „Wir müssen fast davon ausgehen.“ Seine Miene war erst. „Aber es scheint, als wüsste jemand über seinen labilen Zustand Bescheid. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, das hier war geplant.“
„Aber … wer … könnte denn so was tun und – warum … und vor allem, wo ist die Leiche?“ Meine Gedanken überschlugen sich.
„Wenn ich das wüsste …“, murmelte er und ließ seinen Blick über den Boden gleiten. „Wahrscheinlich will hier jemand seine Spuren verwischen.“
Ich kniete mich neben ihn und gemeinsam durchwühlten wir den mit Blättern und Moos übersäten Waldboden, auf der Suche nach irgendetwas Brauchbarem.
Meine Hände wühlten sich durch Blätter, kleine Äste und feuchte Erde, während sich meine Gedanken überschlugen. In den letzten Stunden war zu viel Schreckliches passiert und das Absurde an der Sache war, dass die Tatsache, dass Julian allem Anschein nach jemanden getötet hatte, noch nicht einmal das Schlimmste daran war. Ich hielt kurz inne, denn plötzlich fühlte ich etwas zwischen meinen Fingern.
Es war eine Streichholzschachtel, von der die Pappe schon etwas aufgeweicht war, doch es befand sich erstaunlich wenig Erde und Schmutz daran. Ein Zeichen dafür, dass das Schächtelchen noch nicht lange hier lag. „Was ist das?“ Max hatte sich aufgerichtet und trat von hinten an mich heran. „Streichhölzer“, erwiderte ich drehte den kleinen Karton in meiner Hand.
La Nuit – Bar, Lounge, Club
, war in roten Lettern auf eine Seite der Schachtel gedruckt. Ich legte sie Max in die Hand und bemerkte, dass auch hieran getrocknetes Blut klebte. „Na also, sieht so aus, als könnten wir damit was anfangen.“ Ein kurzes, zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht.
Als Max und ich uns wieder seinem Haus am See näherten, verkrampfte sich mein Magen. Julians unregelmäßige Herzschläge waren für mich sogar bis hierher zu hören. Valentina kam gerade die Treppe hinunter, als wir eintraten. „Wie geht es ihm?“ Ohne eine Antwort von ihr abzuwarten, rannte ich die Stufen hinauf und öffnete die Tür zu dem Zimmer, in dem er lag. Leise trat ich an das Bett heran. Sein Zustand schien unverändert, er atmete schwer und seine bleichen Lippen zitterten, während sein Körper immer wieder von
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