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Ruf der Dunkelheit

Ruf der Dunkelheit

Titel: Ruf der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Rauch
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folgten, die noch bis vor ein paar Stunden auf der gegnerischen Seite gestanden hatte.
    Ich wandte meinen Kopf halb um und Valentinas Blick streifte meinen. Da wurde mir klar, dass sie es glaubte – bedingungslos. Für sie gab es kein Aber. Entweder Max war noch am Leben und sie bekam eine zweite Chance, ihn zurückzuholen, oder sie würde ihm folgen. Der Ausdruck, der in ihren Augen lag, jagte mir einen Schauer durch die Glieder. Noch nie hatte ich sie so gesehen – schwankend, auf dem schmalen Grat, zwischen Hoffnung und blanker Angst. 
    Die Atmosphäre, die den Wagen ausfüllte, war bedrückend. Schwer hing der Dunst von Argwohn und Furcht über uns und erschwerte mir das Atmen. In diesem Moment betrachtete ich meine extrem scharfen Sinne mehr als Bürde – die anderen konnten sich glücklich schätzen, nicht mit jeder Nervenfaser die Anspannung aller unausgesprochenen Anschuldigungen spüren zu müssen. Ich atmete geräuschvoll ein und sank weiter in meinen Sitz. Doch dann entspannte ich mich ein klein wenig, denn durch den Nebel, der mich einhüllte, ja fast erdrückte, drang eine warme Hand, legte sich sanft auf mein Knie und ich spürte, wie sich die Wärme über die kleine Stelle auf meinem Oberschenkel nach und nach auf meinen gesamten Körper übertrug. Unwillkürlich zuckten meine Mundwinkel ein wenig nach oben und ich wandte den Kopf zu Julian, der seinen Blick zwar nicht von der Straße löste, aber fast unmerklich nickte und mir mit dieser Geste zu verstehen gab, dass ich nicht zu viel grübeln sollte. Ich war erstaunt, wie feinfühlig er jede meiner Stimmungsfacetten wahrnahm, seit er von meinem veränderten Blut getrunken hatte. Ich fragte mich, ob das bei Valentina den gleichen Effekt haben würde, oder ob das an der ohnehin schon tiefen Verbindung lag, die Julian und ich teilten. 
    Während der zweistündigen Fahrt, hatte niemand auch nur ein einziges Wort gesprochen. Umso lauter hallte Darias Stimme in meinen Ohren wider, als sie das vorüberziehende Ortschild mit einem überflüssigem „Wir sind da“, kommentierte.
    Weil Daria aber sonst nichts hinzufügte, sondern wieder in Schweigen verfiel, steuerte Julian das Auto Richtung Stadtmitte. Ich konnte an seinem Blick erkennen, wie er sämtliche Eindrücke schmerzvoll in sich aufsog. „Ich war so lange nicht mehr hier … seit …“, murmelte er so leise, dass ich mir sicher war, er sagte es nur zu sich selbst; dann verstummte er, als zu unserer Rechten das alte Rathaus der Stadt auftauchte. Krampfhaft umklammerte er das Lenkrad und seine Lippen wurden weiß, als er die Zähne hineingrub.
    Daria lehnte sich nach vorne und kniff die Augen zusammen, während sie Julian über den Rückspiegel eingehend betrachtete. „Du bist also der Vampir, der Margaretha damals getötet hat.“ Jedes einzelne ihrer Worte brannte sich wie glühende Eisenstäbe in sein Fleisch, doch er schwieg. Zwar konnte ich sehen, wie viel Kraft es ihn kostete, nicht die Beherrschung zu verlieren, doch er starrte verbissen weiter geradeaus. Mir war klar, dass sie versuchte Julian zu provozieren und fast erlag ich der Versuchung, nach hinten zu greifen, sie zu packen und ihren Kopf gegen die Kopfstütze zu schleudern. Ich ballte meine Hände und unterdrückte ein Keuchen, als sich meine Fingernägel schmerzhaft in das Fleisch meiner Handflächen gruben.
    Nur langsam und mit Mühe schaffte ich es, mich zu beruhigen und den verlockenden Gedanken, ihr das Genick zu brechen, aus meinem Kopf zu verbannen. Mir war nicht ganz klar, was sie damit bezweckt hatte und ich ärgerte mich, dass mir ihre Gedanken verwehrt blieben. Wie die meisten Hexen konnte sie diese nämlich vor uns abschirmen. 
    Als wir das Stadtzentrum hinter uns gelassen hatten, brach Julian sein Schweigen. „Es wäre nett, wenn du uns endlich sagen würdest, wo wir Max finden!“, zischte er durch sein zusammengepresstes Kiefer, ohne in den Rückspiegel zu blicken. „Bieg´ da vorne rechts ab“, drang Darias Stimme tonlos nach vorne und Julian gehorchte stumm, setzte den Blinker und lenkte das Auto in die angegebene Richtung. „Jetzt folgst du der Straße stadtauswärts.“ Nur sehr zögerlich dirigierte Daria Julian zu dem Ort, an dem wir Max angeblich lebend finden sollten.
    Valentinas Gesicht versteinerte mit jedem gefahrenem Meter mehr und mehr zu einer undurchdringlichen Maske. Nur ihre feucht glänzenden Augen verrieten ein wenig darüber, wie es in ihrem Inneren aussah. Ich wandte den Kopf, blickte durch

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