Ruf der Dunkelheit
Tamara. Ich habe ihr dabei geholfen – mit einem Zauber. Der Vampir, den sie getötet hat, war jemand von ihren Gefolgsleuten. Max hält sie ihn an einem geheimen Ort versteckt.“
„Und … kennst du diesen Ort?“, bohrte ich nach und kniff die Augen zusammen. Alles in mir sträubte sich dagegen, den Worten dieser Hexe zu glauben. Doch leider hatten wir keine Wahl. „Er ist in Rheinberg“, erklärte Daria schließlich. Julian knurrte. „Das hätte ich mir ja denken können. Und wo finden wir ihn dort?“ Er hob fragend die Brauen, doch Daria schüttelte den Kopf. „Wer sagt mir, dass ihr mich am Leben lasst, wenn ich es euch erzählt habe? Ihr habt uns gerade geholfen, Olivia zu beseitigen, die euch, nach eigenen Angaben schon mehrmals geholfen hat.“
Julian und ich schnaubten fast zeitgleich. Doch ehe wir etwas erwidern konnten, nahm Michael Darias Gesicht in seine Hände und sah sie eindringlich an. „Meine Schwester hat ein Ziel verfolgt, für das sie bereit war, über sämtliche Leichen zu gehen. Glaub mir, ich hatte mehrere Unterhaltungen mit ihr darüber und ich bin mir sicher, sie hätte auch vor mir nicht halt gemacht, um am Ende sämtliche Kräfte zu besitzen. Ich bin froh, dass ich Tamara getroffen habe. Sie hat mir gezeigt, dass nicht alle Vampire herzlose Monster sind, wie mir meine Schwester immer weiß machen wollte.“
Daria schob die Unterlippe vor. „Also gut – ich zeige euch, wo ihr Max finden könnt. Aber ich will euer Wort, dass weder Michael, noch mir etwas geschieht. Wenn ihr euren Freund gefunden habt, trennen sich unsere Wege!“
Valentina, Julian und ich tauschten einen kurzen Blick aus und nickten zustimmend. „Wir müssen uns aber beeilen, Margaretha hat ihre Untergebenen angewiesen, dass sie Max töten, sollte ihr etwas zustoßen.“ Daria starrte auf den Boden und schob einen Stein mit der Schuhspitze hin und her. „Was?!“ Valentinas schrille Stimme ließ mich zusammenzucken. „Wieso stehen wir dann noch hier herum?“
„Wir brauchen erstmal ein Auto!“ Julian sah sich suchend um, als wir die Kiesgrube verlassen hatten und vor uns die ersten Häuser am Horizont zu erkennen waren. „Aber mit den beiden wird es noch eine Weile dauern, bis wir das Wohngebiet erreichen“, raunte ich meinem Gefährten zu und schielte über meine Schulter hinweg zu Daria und Michael.
„Ich laufe schon mal vor und organisiere uns einen fahrbaren Untersatz!“, rief Julian und rannte blitzschnell voraus, ohne sich umzusehen. Valentina und ich tauschten einen stummen Blick aus und verlangsamten unser Tempo, um uns den beiden anzupassen.
Daria stapfte stumm voraus und schlang die Arme fest um ihren Körper. Der Wind hatte wieder aufgefrischt und die eisigen Böen ließen sie erzittern. Michael war gerade dabei, sich umständlich aus seiner Jacke zu schälen, um sie Daria zu geben, als neben uns ein Auto hielt. Das Fenster der Beifahrerseite wurde heruntergelassen und ich wandte halb den Kopf. „Echt jetzt?“ Ich konnte mir ein Schmunzeln kaum verkneifen, während ich kopfschüttelnd in das Heck des silbernen Kombis spähte, in dessen Kofferraum sich ein zusammengefalteter Kinderwagen befand. Julian schob beleidigt die Unterlippe vor. „Ich konnte auf die Schnelle nichts Besseres finden“, brummte er.
„Na ja, zumindest haben wir alle Platz.“ Sogar Valentina schien ihren Kummer für einen Moment zu vergessen und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie die hintere Tür öffnete.
Kaum saßen wir alle im Wagen, trat Julian unsanft aufs Gas. Mit quietschenden Reifen schoss er über die Landstraße, Richtung Autobahn. Während die Landschaft in einem braun-grünen Farbstrudel an uns vorbei flog, überschlugen sich meine Gedanken. Etwas in mir wollte nicht so recht an Darias Worte glauben. Wie auch, nachdem uns Olivia offensichtlich nur für ihre eigenen Zwecke missbraucht hatte. Woher sollten wir sicher sein, dass uns Daria nicht geradewegs in den Tod schickte.
Was, wenn alles, was sie gesagt hatte, gelogen war – und Max tatsächlich doch nicht mehr am Leben war?! Könnte Valentina es verkraften, wenn all ihre Hoffnung, die sie nun in sich trug, vielleicht von einen auf den anderen Augenblick zerstört würde? Zwar hatte ich vorhin in der Kiesgrube, keine Sekunde gezögert, als plötzlich der leise Hauch einer Chance bestand, dass Max vielleicht noch am Leben sein könnte – doch langsam wurde mir klar, dass wir völlig blauäugig den Versprechungen einer Hexe
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