Ruf der Geister (German Edition)
wie eine Wilde rumwühlen musste, um was zu finden. Meine Mutter hasste den Rucksack.“
Gelöst lachte Julian auf. „Kann ich verstehen, wenn er so aussah wie meiner!“
Lea erzählte von den Sachen, die sie in ihrem Rucksack verborgen hatte und Joshua spürte, wie sie die angespannte Situation rettete. Dass sie Polizistin war, schien Julian vergessen zu haben, und sie erwähnte es mit keinem Wort.
Hätte sich Joshua nicht schon zuvor in Lea verliebt – spätestens jetzt wäre es um ihn geschehen gewesen. Sp äter, als er vom Fenster aus zusah, wie ihr silberner Audi fortfuhr, konnte er die Leere kaum ertragen, die sie hinterließ.
„Du hast da wirklich eine tolle Freundin, Josh“, mu rmelte Julian.
Joshua drehte sich zu ihm um und lächelte zustimmend. „Sollen wir?“
Mit einem tiefen Seufzer ergriff Julian seinen Rucksack.
*
Die Wohngemeinschaft befand sich in einem Reihenhaus in der Nähe einer Schrebergartenanlage. Die kleinen Obstbäume in den Gärten sahen aus wie nackte Trolle und auf einigen Wiesenflächen drohte sumpfiges, vereistes Wasser die gepflegten Wiesen zu ertränken. Eine verlassene Schaukel schwang im Wind sachte hin und her. Immer mehr Schnee bedeckte die Landschaft und nur vereinzelte Kinder tobten in dem weißen Zauber. Die Gegend hatte etwas Idyllisches, auch wenn der Winter die Natur noch fest in seinen Klauen hielt.
Julian schniefte, sah sich um und rieb sich über die N ase. Immer, wenn er aufgeregt war, beobachtete Joshua dieses Verhalten bei ihm. Er legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter.
„Ich komm mit rein“, beruhigte er ihn. „Und wenn es dir gar nicht zusagt, dann gehen wir wieder, in Ordnung?“
„Ja, okay.“
Joshua suchte den entsprechenden Namen auf der Klingelleiste und drückte den etwas schiefen Knopf. Nur kurze Zeit später surrte der Türöffner und sie traten in den hellen Flur. Die Wohnung war im dritten Stock. Oben erwartete sie eine lächelnde junge Frau mit einem burschikosen Haarschnitt. Das Kupferblond ihrer Haare wirkte im weiß gestrichenen Flur wie ein Farbtupfer.
„Hey, du musst Julian sein!“, begrüßte sie Joshuas Schützling. „Ich heiße Inge.“
„Hallo“, erwiderte Julian unsicher.
„Morgen, Herr Benning. Schön, Sie wiederzusehen“, sagte sie freundlich und streckte Joshua ihre Hand hin.
„Bitte nenn mich Joshua, sonst fühl ich mich so alt.“ Er ergriff ihre dargebotene Rechte und sie zog ihn in ihre gemütliche Wohnung.
„Sorry, Britta ist grad auf dem Klo. Die kommt aber gleich.“
Inge führte Joshua und Julian ins gemütliche Wohnzimmer, das geschmackvoll eingerichtet war. Warme Farben überwogen, aber es gab auch buntere Töne, die dem Ganzen eine gewisse Frische verliehen.
Sie nahmen auf der Couch Platz.
„Wollt ihr was trinken?“
Mit einer unbewussten Geste hielt Julian den Rucksack an die Brust gepresst und schüttelte den Kopf. Joshua nahm ihr Angebot an und wählte einen Saft.
Britta kam aus dem Bad und begrüßte die beiden ebe nso herzlich. Ihr braunes Haar fiel unscheinbar über ihre Schultern und sie trug eine für Joshuas Geschmack zu große Hornbrille. Er wusste, dass diese Gestelle hochmodern waren, mochte sie dennoch nicht.
Es war leicht , mit den jungen Frauen ins Gespräch zu kommen. Selbst Julian konnte sich ihrem Charme nicht entziehen. Sie waren lebenslustig, voller Energie und für alles Neue aufgeschlossen.
Als Joshua nach fast zwei Stunden zurück zu seiner Wohnung fuhr, war er allein. Kurzerhand hatte sich Julian entschlossen zu bleiben. Inge und Britta schienen sich förmlich in den Jungen verliebt zu haben und wollten ihn nicht mehr ziehen lassen. Das Zimmer, welches Britta für ihn zurechtgemacht hatte, harmonierte mit Julians Geschmack; Joshua erkannte dies sofort. Schlicht, gemütlich und nicht so groß, lud es dennoch zum Verweilen ein.
An der Miete musste er sich erst im nächsten Monat b eteiligen und Joshua würde eine finanzielle Hilfe organisieren. Wenn Julian nun nächste Woche wirklich mit ihm in das städtische Tierheim fuhr, hatte er es vielleicht geschafft. Diese WG konnte ihm den Weg in eine neue Zukunft ebnen. Joshua hoffte es aus tiefstem Herzen.
UNERWARTETER BESUCH
Als Joshua nach Hause kam, seufzte er tief auf. Zu vi ele Dinge im Haushalt warteten auf ihn. Missmutig hängte er seine Jacke an den Haken, feuerte die Schuhe in den Flur und begab sich in die Küche. Die Spülmaschine musste ausgeräumt werden, der Staub mehrte sich von Tag zu Tag
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