Ruf der Geister (German Edition)
Ich hab sie letztens versetzt.“
„ Das habe ich längst geklärt. Wir können ab 11 Uhr das Zimmer besichtigen. Und am Montag bringe ich dich zu der Arbeitsstelle, die mir das Amt für dich angeboten hat. Die nehmen aber nur …“
Unwirsch unterbrach Julian ihn. „Ich weiß! Die ne hmen keinen von der Straße!“ Wütend drehte er sich um, verharrte aber auf der Treppe.
„Julian !“ Joshua legte sanft seine Hand auf die Schulter des Jungen. Ihm fiel erneut auf, wie dünn er war. Jul wirkte so zerbrechlich. „Warum machst du es dir so schwer?“
„Draußen macht mir keiner Vorschriften und ich kann machen, was ich will. Hier schlägt mich keiner …“
„Das ist nicht wahr, Jul, und du weißt es. Die Verletzung von deinem Freier ist ja nicht mal abgeheilt. Und hier draußen erwartet dich bei den Temperaturen nur der Kältetod.“
„Ach, hör doch auf! Ich kann doch in diese bescheue rten Obdachlosenunterkünfte gehen.“
„Aber du gehst nicht hin.“
Julian schnaubte und verdrehte die Augen.
„Jul, wenn die beiden Mädels gackernde Hühner sind, mit denen man nicht auskommen kann, hol ich dich pe rsönlich wieder ab. Aber sieh dir das Zimmer erst einmal an. Bitte!“
„Und die Arbeit? Was muss ich da machen?“
Joshua hatte es ihm schon erklärt, doch Julian hörte so oft nicht hin.
„Es ist eine Aushilfsstelle im Tierheim. Du magst doch Tiere. Vor allem Katzen. Du wärst dafür zuständig, die Käfige zu reinigen, müsstest dich um die Tiere kümmern und darfst helfen, sie zu vermitteln, wenn du dich gut anstellst.“
„Nehmen die nicht eigentlich nur Leute, die das ehre namtlich machen?“
„Vorzugsweise. Es gibt aber auch feste Mitarbeiter. Bei dir würde die Stadt das Tierheim unterstützen.“
„Die Stadt? Wie hast du denn das fertiggebracht?“
Joshua lächelte. „Ich habe mit Zauberzungen auf die Mitarbeiterin eingewirkt.“
Julian schniefte belustigt, wurde aber sehr schnell wieder ernst. Dann sah er plötzlich mit tränenverschleierten Augen auf. „Alle haben mich aufgegeben … immer wieder … Aber du?“
„Ich nicht, Jul.“
Der Junge wischte sich über das Gesicht. „Mann, du bist wirklich hartnäckig, Josh!“
„Ja, das bin ich.“
Lea lugte aus der Tür und warf Joshua einen fragenden Blick zu. Er winkte sie zu sich.
„Lea? Das ist Julian. Julian? Das ist Lea, die heiße Schnecke, die du am Donnerstag vor meiner Tür gesehen hast.“
Lea und Julian prusteten los und Joshua grinste verschmitzt. Das Eis schien gebrochen.
„Also doch eine neue Verehrerin.“
„Sie hat mich tatsächlich beschattet“, flüsterte Joshua ihm zu, aber so, dass Lea ihn hören konnte.
„Und dann ist sie deine Freundin geworden?“, fragte Julian schelmisch.
„Ich mache eben den besten Kakao. Damit habe ich sie ködern können.“
Lea knuffte Joshua in den Oberarm. „Was machen wir jetzt? Ich hab einen Riesenhunger.“
„Was haltet ihr von einem gemütlichen Frühstück bei mir?“
Die beiden stimmten zu, also holten sie Brötchen vom Bäcker und fuhren kurz am Jugendamt vorbei, wo Joshuas Wagen immer noch parkte. Julian blieb bei Lea. Gespannt warteten sie, ob Joshuas Wagen ansprang, dann fuhren sie im Mini-Konvoi zurück nach Gelsenkirchen-Erle. Während der Fahrt vertiefte sich Joshua in seine Gedanken.
Inas Worte hallten wie ein Echo in ihm.
… vielleicht kennst du den Mörder … eine Seele erträgt nicht alles …
Was konnte Julians Seele noch ertragen? Joshua kannte seine Leidensgeschichte und er war mehr als nur gequält worden. Sein Vater hatte ihn fast zu Tode geprügelt, seine alkoholisierte Mutter kümmerte sich nicht um ihn und seine Schwester hatte jeglichen Kontakt zu ihm abgebrochen, als er von zu Hause fortlief – da war er vierzehn gewesen. Vor mehr als zwei Jahren hatte Joshua den Jungen kennengelernt und ihn buchstäblich aus dem Schlamm gezogen. Erinnerungen quollen wie überkochende Milch in ihm hoch.
Joshua legte beunruhigt das Telefon beiseite. Die Meldung des jungen Mannes vom Nottelefon klang mehr als besorgniserregend. An manchen Tagen betreute er diesen Dienst für Jugendliche.
„Lisa, ich muss mal kurz was nachprüfen. Kommst du allein zurecht?“
„Ja sicher. Ist was passiert?“
„Ich bin nicht sicher. Ein junger Mann meldete mir g erade einen Übergriff auf seinen Freund.“
„Übergriff? Soll ich die Polizei oder den …“
„Nein, warte noch“, unterbrach Joshua sie. „Eventuell verursacht das mehr Probleme als
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