Ruf der Geister (German Edition)
alles andere. Ich kenne diese Kids. Ich fahr hin.“
„Pass auf dich auf. Ist schon spät.“
Joshua nickte nur, griff nach seiner Jacke und lief eilig zu seinem Auto. Der Anrufer hatte von einem Parkplatz im Resser Busch gesprochen. Leider hatte er viel zu schnell aufgelegt – warum auch immer.
Während Joshua etwas später in den Waldweg fuhr, dämmerte es bereits und er sah, dass auf dem Parkplatz ein kleiner Tumult entfacht worden war. Sollte er doch die Polizei benachrichtigen? Schnell begriff er, dass hier kein Streit, sondern Panik herrschte, die er selbst vom Auto aus spürte.
Einige liefen aufgestört fort, als sie seinen Wagen s ahen. Nur zwei verharrten neben einem leblosen Körper, bereit ihn zu verteidigen.
Joshua parkte in einiger Entfernung, stieg aus und ging langsam auf sie zu.
„Hau ab! Wir machen heute nix mehr!“, rief jemand.
„Einer von euch hat mich angerufen. Darf ich zu euch kommen?“
„Du Blödmann hast uns die Bullen auf den Hals gehetzt?!“, blaffte der eine seinen Freund an, der eingeschüchtert neben dem leblosen Körper kauerte.
„Ich bin nicht von der Polizei“, beschwichtigte Joshua. „Was ist passiert?“
Er näherte sich ihnen behutsam. Die beiden erschienen ihm wie verängstigte Rehe.
„Ich hab angerufen“, sagte der Blonde, der neben dem bewusstlosen Jungen hockte. „Julian hat’s erwischt. Wir dachten, der Kerl will nur ‘n Blowjob, aber der hat Jul total zusammengeschlagen!“
„Hast du richtig gemacht“, sagte Joshua nur und kniete sich vor den verletzten Jungen.
Julian stöhnte leise. Im Gesicht sah man nicht viel, Joshua konnte nur eine Schramme an der Wange ausm achen. Atmung und Puls erschienen ihm nicht bedenklich und wirklich ohnmächtig war der Junge auch nicht. Aber die gekrümmte Haltung bereitete Joshua Sorgen.
„Wurde er in den Bauch getreten?“
„Ja, mehrmals“, antwortete der junge Mann, der Joshua anfangs hatte vertreiben wollen. Seine braunen Locken fielen ihm tief in die Stirn,
„Jungs, ich muss einen Krankenwagen rufen.“
„Aber keine Bullen! Die suchen mich, Mann“, zischte der Dunkelhaarige.
„Dann geh, ich hab dich nicht gesehen. Ich bleib bei ihm.“
Für einen Augenblick zögerte der Junge, dann stürmte er davon, als Joshua sein Handy hervorholte und einen Krankenwagen alarmierte.
Der schüchterne Junge schaute Joshua unsicher an. „Ob … ob er wohl durchkommt?“
„Hoffen wir es …“
Joshua zog seine Jacke aus und bettete Julians Kopf darauf. Nur kurze Zeit später ertönte die Sirene des Rettungswagens. In diesem Moment kam der Junge zu sich und begegnete Joshuas Blick. In seinen Augen spiegelten sich Leid und Schmerz.
Nie vergaß Joshua diesen ersten Kontakt. Der Gesichtsausdruck des Jungen hatte ihm mehr erzählt, als Worte es je hätten tun können und bewirkte, dass er fortan für Julian kämpfte. Damals war er glimpflich davongekommen und Joshua nahm ihn als Streetworker in seine Obhut. Nur allmählich konnte er zu ihm durchdringen und seine Geschichte hervorlocken. Julian war eine gequälte Seele.
Nein! Der Junge könnte keinen Mord begehen!
Eine böse, zweifelnde Stimme in seinem Inneren fragte: Oder doch?
Joshua schüttelte den Kopf, als wolle er diese Geda nken vertreiben. Nein! Er vertraute Julian!
Als Lea vor seiner Wohnung parkte und er den freien Platz neben ihr nahm, realisierte Joshua, dass er von der Autofahrt kaum etwas mitbekommen hatte.
Das Frühstück verlief eher schweigsam. Julian war in sich gekehrt, Lea schien nicht zu wissen, was sie sagen sollte und Joshua hatte es aufgegeben, die Situation au fzuheitern.
„Wann müssen wir zu der WG?“, fragte Julian in die Stille hinein.
„Ich wollte so um kurz nach 11 da sein. Sie ist hier in Erle. Hast du noch irgendwo Sachen, die wir abholen sollen?“
Julian zeigte auf seinen verschlissenen Rucksack. „Hab alles dabei.“
Aus dem Augenwinkel sah Joshua, wie Lea den Jungen erschrocken anstarrte. Er warf ihr einen Blick zu und schüttelte unmerklich den Kopf. Sie sollte das nicht kommentieren, denn er wusste, dass Julian stolz auf seine wenigen Habseligkeiten war. Lea verstand sofort und drehte den Spieß um.
„Cooler Rucksack. Ich hatte auch mal so ein en Liebling, der sah ganz ähnlich aus.“
„Bestimmt nicht so dreckig und kaputt“, erwiderte J ulian und schaute auf.
„Hast du ‘ne Ahnung! Der sah genauso aus und ich hab ihn geliebt“, beteuerte Lea. „Ich hatte da immer allerhand Zeugs drin, sodass ich
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