Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
ein Loch in den Bauch geredet“, bemerkte Hugues ironisch.
Sophie musste leise lachen. „Genau. Offenbar freute er sich sehr, mich wiederzusehen“, bestätigte sie und musterte Hugues dabei gedankenverloren. „Und was er mir über den Schiffbruch erzählte, das war nicht ohne!“
„Wohl wahr“, betonte Hugues, den bei der Erinnerung an diese Strapazen plötzlich tiefe Müdigkeit überfiel. Außerdem konnte er sich unschwer ausmalen, wie Luc die Schilderung wohl ausgeschmückt hatte, zumal ihm ein solch berückendes Publikum lauschte.
„Wenn man es heil überstanden hat, lässt sich ein solches Abenteuer hinterher immer leicht verklären“, bemerkte er mürrisch, darauf bedacht, das erwartungsvolle Leuchten in Sophies Augen zum Verlöschen zu bringen. Doch Sophie stand lachend auf, und als sie auf ihn zukam, schlug sein Herz schneller.
Was mochte sie vorhaben? Wollte sie ihn vielleicht wieder küssen?
Bei diesem Gedanken wurden ihm beinahe die Knie weich. Gespannte Erwartung stieg in ihm auf, aber auch Furcht, weil er nicht wusste, wie er auf solch eine Versuchung reagieren sollte. Trotz seiner ungehörigen Gedanken wollte er sich nicht beirren lassen. Sollte sie ihn doch getrost auf die Probe stellen. Er würde schon damit fertig werden.
Schließlich war sie ihm schon einmal zu nahe gekommen. Was machte es da schon aus, wenn er bei ihrer Berührung die Beherrschung verlor? Wenn es doch nur darum ging, dass er ihr gab, wonach es sie gelüstete?
„Schon, aber ohne dich wäre er nicht hier, gesund und munter“, murmelte sie mit vor Bewunderung glänzenden Augen und einer Stimme, die in seinen Ohren sehr verführerisch klang.
Vor Spannung erzitterte Hugues, als Sophie eine Handbreit vor ihm stehen blieb, den Kopf in den Nacken gelegt, das Kinn gereckt, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Erst da fielen ihm ihre erstaunlich dichten dunklen Wimpern , die Sommersprossen auf dem Nasenrücken, die sonnenverwöhnte Tönung ihrer Haut auf. So nah vor ihr wünschte er sich, ihr Hemd wäre noch dünner, denn sein Blick folgte dem goldenen Bogen ihres Halses hinunter zu einem Pärchen schwellender Knospen, die sich unter dem feinen Leinen hoben.
Hugues schluckte schwer und senkte wieder den Blick in ihre Augen. Er wusste, dass er nicht würde an sich halten können, sollte sie ihn berühren, zumal er es sich insgeheim sogar wünschte. Und genau in dem Moment, als er schon glaubte, sie würde ihn küssen, legte sie ihm einfach nur die Hand auf den Arm und bat ihn zu Tisch.
„Setz dich und iss“, forderte sie ihn sanft auf und trat beiseite.
Seine anfängliche Furcht verwandelte sich in Enttäuschung. Den Kuss, den er sich so herbeigesehnt hatte – sie hatte ihn nicht einmal angedeutet. Was war denn auf einmal in sie gefahren?
„Es gibt Suppe und dazu etwas, das man hier für Wein hält“, fügte sie trocken an. Er war so verblüfft, dass ihm gar nicht richtig auffiel, welch unbewusste Vorurteile sie offenbar gegenüber Weinen hegte, die nicht aus dem heimischen Bordelais stammten.
„Schön, ich habe nämlich Hunger.“ Er ließ sich auf den angebotenen Schemel fallen, obwohl ihm der Appetit plötzlich vergangen war. Dennoch redete er sich trotzig ein, dass ihm der leere Bauch wohl das Denken vernebelte. Ganz offenkundig hielt Sophie sich zurück, denn eigentlich hatte sich doch nichts geändert. Sophie wollte ihn, hatte ihn immer gewollt. Sie war überzeugt, dass sie füreinander bestimmt seien. Das wusste er ohne jede Frage. Falls es im Augenblick gerade so schien, als wolle sie ihn nicht, lag das wahrscheinlich allein an seiner fehlerhaften Wahrnehmung.
Wenn überhaupt, so war diese Frau in ihrem Wahn nur konsequent.
Sophie räumte die Nähsachen fort, nahm ein Linnentuch von einem Schneidbrett mit dunklem Brot und stellte es vor Hugues auf den Tisch. Er versuchte, nicht allzu enttäuscht darüber zu wirken, dass sie ihn nicht ein einziges Mal berührte, und sei es auch nur auf die unschuldigste Weise. Wahrscheinlich, so sagte er sich, wartet sie nur auf den passenden Moment. In der Vergangenheit hatte er sich genau das gewünscht, dass sie ihn in Ruhe lassen möge; da konnte er es ihr jetzt wohl schwerlich übel nehmen.
Ein Krug mit Wein vervollständigte das Abendbrot. Hugues nahm den irdenen Becher und schenkte sich von dem Rebensaft ein, während Sophie einen mit Deckel versehenen Eisentopf, der auf der Holzglut im Kamin stand, vom Feuer nahm. Ihre gebückte Gestalt hob sich dabei vor dem
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